Listen to the silence, let it ring on!

Stellungnahme von Radio Loretta zu den Zuständen im FSK

Die „Dreier-Bande“, der „Nationalisten-Liebhaber“, das „Arschloch“, die „Wegmobber“, die „Intriganten, Lügner und Doppelmoralisten“, die verantwortlich dafür sind, dass „Erdogan-Anhänger viele Jahre ungehindert senden“ und „Menschen, die dies kritisieren und sich einer emanzipatorischen Haltung verpflichtet haben mit Sendeverboten“ belegt werden, die „ungerechten, irrsinnigen und deutsch-chauvinistischen Heuchler …“

Diese Sprechweise gehört mittlerweile zum guten Ton der Delegierten von projekt_r und Stadtteilradio auf Treffen und in E-Mails im Rahmen der aktuellen Auseinandersetzungen im Freien Sender Kombinat.

Als davon Betroffene möchten wir in dieser Erklärung unsere Position als Radiogruppe Loretta zu den Geschehnissen darstellen.

Dance To The Radio?

Vorweg ein paar Worte zu unserem Selbstverständnis des Freien Sender Kombinats (FSK). Das FSK hat nicht umsonst das Wort „Kombinat“ im Titel. Es ist ein Zusammenschluss unterschiedlicher Einzelpersonen, Zusammenhänge und aller Förder*innen, die sich für den Betrieb des Radios einsetzen. Sie sollte das Ziel verbinden, mit der Bündelung ihrer Kräfte die Möglichkeiten für ein emanzipatorisches und gesellschaftskritisches Radio in die Praxis umzusetzen, den Sendebetrieb zu reflektieren und daraus die Theorie eines Freien Radios weiter zu entwickeln. Das FSK ist in unserem Verständnis dabei niemals Parteifunk im Sinne eines Szene-Radios noch ist es ein Instrument von Funktionären aus der Szene. Stattdessen sollte Freies Radio die vorherrschenden Denk- und Hörgewohnheiten durchbrechen, irritieren, die autoritäre Formierung und Zurichtung der gesellschaftlichen Verhältnisse kritisieren und im Idealfall einen Ausblick auf neue, emanzipatorische Möglichkeiten aufzeigen.

In der Praxis der vergangenen Jahre hat sich die Idee des pulsierenden, sich gegenseitig inspirierenden Kombinats selten erfüllt. Zu wenige aktive Sendende nehmen regelmäßig an den inhaltlichen Diskussionen auf den jeweiligen Redaktionstreffen oder dem Treffen der AnbieterInnengemeinschaft (ABG) teil. Um die praktische Aufrechterhaltung des Sendebetriebs kümmern sich seit Jahren kaum Personen. Der Kraftakt des Sender-Umzuges im letzten Jahr in das Gängeviertel wurde von einer Handvoll FSK-Aktiven realisiert. Diese haben den Sender auf unzähligen Treffen, häufig mehrmals in der Woche und über viele Monate verteilt, vertreten. Und es geschafft, dass der Sendebetrieb in den neuen Räumen weiterlaufen konnte. Im selben Zeitraum stand natürlich auch die inhaltliche Arbeit in den jeweiligen Redaktionen und zu den eigenen Sendungen an. So auch die Diskussion um die mittlerweile nicht mehr im FSK aktive Radiosendung „Anilar. FM“, die während einer Sendung Funktionäre der türkischen faschistischen Partei MHP zu Gast hatte.

Dass unterschiedliche Personen und Gruppen im Zusammenschluss eines Kombinats organisiert sind, bedeutet auch, dass sich alle Beteiligten auf Auseinandersetzungen einlassen müssen. Natürlich geht dabei jede und jeder von sich aus, aber das nicht im Sinn einer „Partei“-Linie. Die Offenheit gegenüber anderen Personen und Positionen ist eine Voraussetzung. Um die unterschiedlichen Inhalte und Vorstellungen muss selbstverständlich gestritten werden, genauso wie gemeinsam formulierte Grundsätze gegen Antisemitismus, Sexismus oder Rassismus überprüft und verteidigt werden müssen. Auch Selbstverständlichkeiten müssen immer wieder neu errungen und angeeignet werden. Dafür gibt es im FSK zahlreiche Orte, die jeweiligen Redaktions-Treffen und Gremien, wie zum Beispiel das Treffen der ABG.

In einer gemeinsamen Stellungnahme von projekt_r und Stadtteilradio zu den Zuständen im FSK wird folgendes beklagt:

»Neben der Positionierung zu den türkischen Zuständen sehen wir eine gründliche Debatte im FSK über Antisemitismus und dessen Geschichte als notwendig an und würden sie gerne vorantreiben. (...) Der Vorschlag beim in Hamburg stattfindenden Kongress Freier Radios ein Panel zu Antisemitismus im Radio zu machen, wurde harsch abgebügelt.« (aus: Nightmare Off Air)


Jede und jeder Sendende, jede Sendung kann die technische und räumliche Infrastruktur des FSK dafür organisieren, um zum Beispiel eigenverantwortlich Veranstaltungen zu Themen zu machen oder Diskussionsrunden mit ihren Hörer*innen und allen anderen Interessierten abzuhalten.

»Dabei ist die Auseinandersetzung um kollektive Strukturen und Gründe ihres Scheiterns die zentrale Bedingung für die Möglichkeit inhaltlicher Debatten im Freien Sender Kombinat. Die Auseinandersetzung um Strukturen hat aber auch eine eigenständige Qualität: Denn nur, wo sich Ohnmachtserfahrungen der umgebenden Gesellschaft nicht spiegeln oder sogar potenzieren, wird Freies Radio als gestaltbarer, kreativer und begehrenswerter Raum, aber auch als Raum kollektiver Verantwortungsübernahme erfahrbar und wirkmächtig.« (aus: Stimmen aus der Gruft – Plädoyer fürs Unheimliche Diskussion und Erfahrung als kollektive Prozesse)

Gestaltbare, kreative und begehrenswerte Räume, kollektive Verantwortungsübernahme und inhaltliche Debatten im Freien Sender Kombinat brauchen nicht eingefordert werden, sie könnten einfach gemacht werden.

Waiting For Our Sight

Was die Auseinandersetzung mit Anilar.FM betrifft, müssen wir im Vorfeld ein paar Dinge klarstellen, die auch in aktuellen Texten und Stellungnahmen oft irreführend oder falsch beschrieben werden:

1. Es sind sich wirklich alle einig, dass die Einladung der MHP durch Anilar.FM völlig inakzeptabel war und nie wieder vorkommen darf. Darüber hinaus sind sich alle einig, dass die Sendung sich nicht ausreichend vom Nationalismus distanziert und ihn kritisiert hat und selbst nationalistische Positionen verbreitete.

2. Niemand hat „türkische Nationalist*innen vorrangig als Teil einer unterdrückten Minderheit“ (aus: Stimmen aus der Gruft) betrachtet.

3. Nachdem wir mitbekommen haben, dass Anilar.FM die MHP eingeladen hat, wurde durch uns und andere umgehend die Diskussion begonnen. Erst in dieser Diskussion hat sich gezeigt, dass vor einigen Jahren schon einmal die MHP eingeladen wurde, weder wir noch andere FSK-Aktive im Sender wussten das. Leider war die Bereitschaft zur Teilnahme an dieser Diskussion gering.

4. Weil es leider scheinbar nur ganz wenige verstanden haben: Unsere Beschreibung der Sendung Anilar.FM als „Frühstücksradio mit Volksmusiktendenzen und durchaus kommerziellen Einschlag“ in unser vergangenen Stellungnahme ist eine deutliche Kritik von uns an der Sendung und nicht deren Verharmlosung und Verteidigung.

5. Wir haben Anilar.FM nicht gegen „alle“ Kritik verteidigt. Wir haben selbst Kritik an der Stellungnahme von Anilar.FM geäußert, weil diese sich nicht kritisch genug vom türkischen Nationalismus abgrenzte und haben verlangt, dass sie genauer wird. Leider haben wir uns nicht genug bemüht und Druck ausgeübt (z.B. durch eine befristete Aussetzung der Sendung), eine genauere Erklärung zu bekommen. Dadurch hat sich der Diskussionsprozess zu sehr in die Länge gezogen. Auch müssen wir rückblickend eingestehen, dass wir davon ausgegangen sind, dass sich Anilar.FM aktiv in die Diskussion einbringt. Der parallele Stress um den Umzug, an dem viele von uns aktiv beteiligt waren, ist keine Entschuldigung dafür, dass wir genauer und entschlossener Anilar.FM mit ihrem Fehlverhalten hätten konfrontieren müssen.

6. Nachdem Anilar.FM in ihrer Sendung selbst gegen ihre Kritiker*innen mobilisiert hat, war für uns klar, dass dieses Verhalten direkte Konsequenzen haben muss. Wir haben umgehend mit der Sendung gesprochen und mit anderen Sendenden kurzfristig entschieden die Sendung bis zur nächsten ABG auszusetzen. Wir haben uns auf dieser ABG dann dafür ausgesprochen, die Sendung so lange auszusetzen, bis die Diskussion über die Stellungnahme von Anilar.FM endlich abgeschlossen ist, um dann zu entscheiden, ob die Sendung endgültig abgesetzt wird oder weiter sendet. Der Unterschied zwischen Aussetzung und Absetzung ist hier wieder wichtig. Es stimmt somit einfach nicht, dass Anilar.FM durch Radio Loretta bedingungslos unterstützt wurde. Ein Delegierter von Uni Radio und ein Delegierter von Radio Loretta verließen vorzeitig die Sitzung aufgrund der unerträglichen Stimmungslage im Raum. Am Ende wurde Anilar.FM durch einen Beschluss der AnbieterInnengemeinschaft (ABG) abgesetzt, dem sich nur ein Delegierter von uns nicht angeschlossen hat, da er sich für eine weitere Aussetzung von Anilar.FM mit der Möglichkeit einer Absetzung ausgesprochen hat. Für ihn war der Diskussionsprozess noch nicht abgeschlossen. Für andere schon. Was zu akzeptieren ist.

When The Going Gets Tough

Die aktuelle Auseinandersetzung im FSK dreht sich um die Sendung Güncel Radyo. In dieser Diskussion geht es Radio Loretta nicht darum, dass die Absetzung der Sendung erfolgt. Es geht um die Klärung offener Fragen. Die kritisierten Punkte an der Sendung liegen bis auf die Verwendung einer antisemitischen Karikatur größtenteils mehrere Jahre zurück. Die Auseinandersetzung darum ist also auch eine Diskussion darüber, wie jede und jeder Einzelne in den jeweiligen Redaktionen und Gremien Widersprüche thematisiert und wie es den Sendenden des FSK im Alltag überhaupt gelingen kann, mehr als ihre unmittelbaren Interessen im Blick zu halten.

Es ist immer eine schwierige persönliche Situation für Sendende, wenn ihr Programm auf Treffen kritisiert wird und Antworten auf Fragen gegeben werden sollen. Bei der Diskussion um Güncel Radyo kommt erschwerend hinzu, dass das gegenseitige Verhältnis aus den vorangegangenen Diskussionen um Anilar. FM belastet ist. Das ist die Bedingung für alle Beteiligten aus der heraus die Diskussion um die Kritik an Güncel Radyo erfolgt ist. Idealerweise sollte die Auseinandersetzung um inhaltliche Kritikpunkte einen gemeinsamen Diskussionsprozess ermöglichen, der nicht auf die Ebene „Schuldzuweisung – Geständnis“ reduziert wird. Letztendlich sollten Diskussionen für alle Beteiligten zu gemeinsamen Erkenntnissen führen.

Die Vorgeschichte der Diskussion um Güncel Radyo beginnt damit, dass die momentan wöchentlich für eine Stunde ausgestrahlte Sendung im Rahmen der Redaktion 3 mehr Sendezeit gefordert hat. Diese Forderung wurde von der Redaktion 3 nach sechsmonatiger Diskussion abgelehnt. Dass die Diskussion nun auf der ABG geführt wird, hat folgenden Grund: Die verschiedenen Redaktionen im FSK, wie z.B. die Musikredaktion, GuTzKi oder Studio F haben im Programm-Schema des FSK feste Sendeplätze und sind jeweils für das Verteilen ihrer Plätze an die in ihnen organisierten Sendungen zuständig. Einige Sendeplätze von 19-20 Uhr werden jedoch direkt von der ABG des FSK betreut. So auch die Sendung von Güncel Radyo, weshalb die Diskussion über die Sendung in der ABG läuft.

Der Grund, warum wir uns überhaupt genauer mit den Inhalten von Güncel Radyo beschäftigt haben, hing also mit der Beantragung von mehr Sendezeit zusammen. Somit ist die genauere Beschäftigung mit einer Sendung nichts Ungewöhnliches, sondern ein gewohntes Vorgehen wenn eine Sendung mehr Sendezeit beantragt. Im Rahmen der Beschäftigung mit der Sendung von Güncel Radyo sind folgende kritische Punkte zum Vorschein gekommen, die wir mit der Sendung diskutieren wollten: Die Mitgliedschaft eines Sendenden in der Piratenpartei vor dem Hintergrund der Verknüpfung von Parteiarbeit und Sendung, die Frage der kommerziellen Ausrichtung von Sendeinhalten, die Einladung eines Attachés des Türkischen Generalkonsulats in die Sendung, die Verbreitung von Verschwörungstheorien, zwei Bildmontagen, in denen Erdogan als Hitler dargestellt wird und die Verbreitung von zwei antisemitischen Karikaturen. Diese Punkte wurden der Sendung auf der ABG selbstverständlich ausgedruckt mitgegeben und nicht wie behauptet, nur am Laptop gezeigt. Darüber hinaus wurde gemeinsam vereinbart, dass sich die Sendung auf der nächsten ABG dazu schriftlich äußert. Die schriftliche Stellungnahme war ein ausdrücklicher Wunsch von Güncel Radyo. Die Verfassung der Stellungnahme auf deutsch wurde damals weder von der betreffenden Sendung, noch von anderen Sitzungsteilnehmer*innen problematisiert. Deshalb wurde auch nicht über andere Möglichkeiten nachgedacht, wie z.B. die Erstellung einer externen Übersetzung. Bis zur Klärung der offenen Fragen beschloss die ABG die Sendung im Juli 2017 auszusetzen und bei der nächsten Sitzung das weitere Vorgehen zu beschließen.

Güncel Radyo hat dann mit einer schriftlichen Erklärung vom 29. Juli 2017 umfangreich Stellung zu den geäußerten Kritikpunkten bezogen (Die Erklärung von Güncel Radyo in voller Länge kann sicherlich gerne von der Sendung selbst zur Verfügung gestellt werden oder auf Nachfrage im FSK eingesehen werden). Einiges von den kritisierten Punkten konnte mit Güncel Radyo auf der ABG-Sitzung im August 2017 geklärt werden. Allerdings waren in der Erklärung ebenso Punkte vorhanden, die für Radio Loretta und andere Delegierte noch Diskussionsbedarf erforderten. Beispielhaft möchten wir unsere noch offenen Fragen an der folgenden Passage der Erklärung von Güncel Radyo erläutern:

»Es wird anscheinend kritisiert, dass 2013 Vertreter der Piratenpartei (ich selbst), „Die Grünen“, „Die Linke“ und SPD in unsere Sendung Güncel Radyo eingeladen wurden.  Darüber hinaus wird anscheinend kritisiert, dass Vertreter der Grünen, SPD und CHP eingeladen wurden. Auch das war mit X abgesprochen, in der Art dass dies kein Problem wäre. (...) Die Moderation der Sendung hat eine journalistischer Freundin übernommen. Ich hatte wie alle anderen Gäste die gleiche Redezeit. Zusammenfassend kann ich dazu nur folgendes sagen, X wusste über diese Sendung Bescheid und wusste auch vor der Sendung wie diese genau ablaufen wird und er war damit einverstanden. X hat immer wieder mitbekommen, dass Parteivertreter in meine Sendung eingeladen werden und in der Sendung kritisch über die Parteistandpunkte diskutiert wurde. Bis zur „Anilar FM“-Auseinandersetzung war das nie Thema und kritikwürdig. Weitere Info: Ich bin seit Februar 2017 kein Mitglied der Piratenpartei und auch keiner weiteren Partei. Auch zu diesem Punkt möchte ich klarstellen, auch im Interesse anderer FSK-Sendende, dass das FSK hier klar Stellung beziehen muss, was möglich ist und was nicht. Da sonst nach Belieben „unliebsamen Sendenden“ plötzlich Vorwürfe gemacht werden können und diese aus opportunistischen Gründen, Schwierigkeiten bekommen. Darüber hinaus scheint es Doppelstandards zu geben, da es anscheinend weitere Sendende gibt die Parteipolitisch aktiv sind und dies anscheinend kein Problem darstellt. Hätte es klare Vorgaben gegeben hätte ich mich natürlich daran gehalten. Die Einladung von Parteifunktionären zu meinen Sendungen waren bekannt und abgesprochen.« (Erklärung Güncel Radyo, 29.07.2017)

Es geht uns hierbei weniger um die Problematik, dass man sich als Parteifunktionär selber in die eigene Sendung einlädt, obwohl man auf der Hamburger Landesliste der Piratenpartei zur damaligen Bundestagswahl angetreten ist. 2006 gab es im FSK schon einmal eine Diskussion um Leute, die im Rahmen ihrer Parteiarbeit für „Die Linke“ auf Sendung gehen wollten. Damals gab es einen eindeutigen Beschluss, dass die Vermischung von Parteipolitik und redaktioneller Arbeit die Prinzipien des FSK und von ernstzunehmender journalistischer Unabhängigkeit im Allgemeinen unterläuft. Das heißt nicht, dass Leute in ihrer Freizeit nicht Arbeit in einer Partei machen können. Nur darf diese nicht mit der redaktionellen Arbeit verknüpft sein.

Für Radio Loretta, je einem Delegierten von Uni-Radio und der Jüdischen Gemeinde bestand vielmehr weiterer Diskussionsbedarf wegen der Sichtweise von Güncel Radyo auf die Strukturen des FSK, das Abwälzen von eigener Verantwortung auf Dritte und das Andeuten einer Verschwörung gegen die eigene Person.

Entscheidend für Güncel Radyo ist das Zuschreiben einer Direktoren-Rolle im FSK auf Person X, die Mitglied bei Radio Loretta ist. Person X ist seit 2000 beim FSK aktiv und ist als einer der ganz wenigen FSK-Aktiven fast täglich im Sender anzutreffen. X kümmert sich um ihre eigene journalistische Arbeit und auch um Belange von anderen Sendenden. Da das FSK momentan nicht in der Lage ist, einen freiwilligen Bürodienst an mehr als einem Tag in der Woche zu gewährleisten, ist die Anwesenheit von X in der täglichen Organisation des FSK von großer praktischer Bedeutung für das FSK. Zum Beispiel Anrufe von Hörer*nnen entgegennehmen, ausfallende Live Sendungen ersetzen, das sich Kümmern um den Sendeablauf von vorproduzierten Sendungen usw. Natürlich ist X dabei immer noch eine eigene Person mit eigenen Positionen und Ansichten. Diese können von anderen FSK-Aktiven geteilt oder abgelehnt werden und man kann Person X mögen oder nicht.

Person X sagt, dass er damals Güncel Radyo nicht signalisiert hat, dass ihre Vorgehensweise korrekt sei. Unabhängig davon ist es entscheidend, dass keine Einzelperson jenseits der FSK-Entscheidungsgremien (wie die jeweiligen Redaktionen oder die ABG) Erlaubnisse oder Verbote erteilen kann. Offene Fragen sind immer und ausschließlich gemeinsam in den jeweiligen Gremien zu besprechen. Jede und jeder Sendende sollte das wissen, denn die Einführung in die Strukturen ist zentraler Bestandteil des Freien Sender Kurses, den alle Aktiven zu Beginn ihres FSK-Engagements durchlaufen. Selbst bei Nicht-Teilnahme an dieser Einführung sollte durch die Praxis der Redaktionsarbeit, die Arbeit in Radiogruppen oder dem Besuch der ABG klar sein, dass das FSK kollektiv organisiert ist.

Die eigene Verantwortung über selbst getroffene Entscheidungen wird in Radyo Güncels Antwort sehr häufig auf Person X abgeschoben. Diese wird zur einer alles beherrschenden Autorität. Natürlich hat Person X als Mitglied von Radio Loretta und der Redaktion 3 seine eigenen politische Vorstellungen. So wie hoffentlich jede und jeder andere im FSK. Selbstverständlich vertritt Person X ihre Ansichten und Positionen in senderinternen Diskussionen in der Redaktion 3 oder der ABG. Dabei ist Person X ihre eigene Stimme – genauso wie das die Vertreter*innen von Radyo Güncel mit ihren Positionen in den jeweiligen Diskussionen sind.

»Aber auch hier rüber MUSS geredet werden… Ich habe versucht so gut ich konnte die Kritiken zu beantworten und bin durchaus auch selbstkritisch gegenüber meinen Fehlern, die leider passiert sind. Kritik und Selbstkritik gehören meiner Meinung nach zu einer echten und glaubwürdigen Linken. Die Kritik muss aber solidarisch sein und die Kritiker sollten vor allem Selbstkritik selbst praktizieren. Die vehementesten Kritiker von Güncel Radyo sind dazu aber überhaupt nicht in der Lage, wie die „Anilar FM“-Auseinandersetzung gezeigt hat. Deshalb empfinde ich die Kritik der Hauptkritiker (bestimmte Loretta-Leute) nicht als solidarische Kritik sondern Ablenkungsmanöver gegenüber eigenen Fehler und als Diffamierung meiner Person. Menschen die Kritik üben, sollten erst einmal selbst vorbildlich handeln und auf Kritiken, Selbstkritisch eingehen. Alles andere ist nur verlogen. Ich rede hier hauptsächlich von X, Y. und vor allem über V. und Unterstützer.« (...) »Außerdem gibt es, wie in meinem Fall, immer wieder die billige Masche von Loretta-Leuten Menschen in die antisemitische Ecke zu stellen, um diese zu diskreditieren und mundtot zu machen.« (Erklärung Güncel Radyo, 29.07.2017)

Die Projektion von Güncel Radyo, dass Person X eine letztlich alles bestimmende Autoritätsperson im Sender wäre und zugleich er und weitere Mitglieder von Radio Loretta eine „verlogene“ Agenda betreiben, verdeutlicht den Autoritätsglauben von Güncel Radyo. Die Sendung behauptet, dass ihr doch für alle im Nachhinein plötzlich kritisierten Handlungen das Einverständnis von Person X vorlag, der von ihr behaupteten Autorität. Für uns zeigt sich, dass Güncel Radyo Meinungsverschiedenheiten und Widersprüche nicht aushalten kann und statt auf die gemeinsame Diskussion auf die Denunziation der Kritiker*nnen setzt und Radio Loretta dabei grundsätzlich als „verlogen“ und „unsolidarisch“ bezeichnet.

Für Delegierte von Radio Loretta, Uni Radio und der Jüdischen Gemeinde Pinneberg gab es am Ende der ABG-Sitzung vom August 2017 zu diesen Sichtweisen von Güncel Radyo noch offene Fragen. Neben den inhaltlichen Differenzen war diese Sitzung von zahlreichen verbalen Ausfällen geprägt.

Vereinbart war, die offenen Punkte in der September-ABG weiter zu besprechen. Es wurde auf der ABG vom August zunächst beschlossen, die Sendung bis zum September auszusetzen, um dann nach der Diskussion der noch offenen Punkte, endgültig zu entscheiden, ob die Sendung wieder senden kann. Es ist anzumerken, dass die Sendung nur deshalb ausgesetzt blieb, weil ein Delegierter von projekt_r sich einem Konsens verweigerte. Es gab einen Verfahrensvorschlag von 17Grad, auf den sich ansonsten alle Anwesenden geeinigt hatten. Dieser Vorschlag hätte Güncel Radyo im August vorerst senden lassen und im September wäre dann ebenfalls zu beschließen gewesen, wie weiter zu verfahren sei.

Nach der weiteren Aussetzung von Güncel Radyo für den Monat August 2017 ist es zu verbalen Ausfällen von Delegierten der Radiogruppe projekt_r und dem Sendenden von Güncel Radyo gekommen. Alle anderen Teilnehmer_innen auf der ABG, mit Ausnahme der Radiogruppe Stadtteilradio, wurden stehend minutenlang wütend beschimpft und beleidigt. Es wurde ihnen vorgeworfen, eine anti-faschistische Sendung verhindert zu haben und auf die Bedürfnisse von Güncel Radyo keine Rücksicht zu nehmen. Es kam auch zu homophoben Anspielungen, Denunziationen und Verleumdungen durch Delegierte von projekt_r.

Leider findet sich dazu kein einziges Wort der Selbstkritik in den unzähligen E-Mails der letzten Wochen. Auch schon vorher haben zwei Personen die ABG verlassen, weil ein Delegierter von projekt_r einen Delegierten von Radio Loretta immer wieder als „Arschloch“ beschimpfte. Und obwohl dem Delegierten von projekt_r mehrmals von verschiedenen Personen der ABG unmissverständlich klar gemacht wurde, dass so ein Verhalten nicht tragbar sei, hörte er mit den Beschimpfungen nicht auf. Die permanente verbale Gewalt und das Mobbing gegen bestimmte Delegierte von Radio Loretta lassen sich auch in E-Mails eines Delegierten von projekt_r nachlesen. Dieser spricht von Radio Loretta als „Dreier-Bande“ und gibt sie damit der Gewalt frei.

Dieses Verhalten muss grundlegend und nachhaltig problematisiert und einer Verrohung der Diskussionsatmosphäre im FSK entgegengewirkt werden. Uns zeigt das aktiv oder passiv mitgetragene Verhalten aller Delegierten von projekt_r und Stadtteilradio, dass es momentan kein ernsthaftes Interesse an einer inhaltlichen Diskussion gibt, sondern die eigene Meinung und Wahrheit als vermeintlich einzig richtige behauptet wird. Ferner inszenieren sich die Delegierten beider Radiogruppen als Opfer. Mit solch einem Verhalten unterlaufen sie jedoch jede Vertrauens- und Diskussionsgrundlage. Natürlich werden die aktuellen Diskussionen von allen Beteiligten sehr entschlossen geführt. Wir möchten an dieser Stelle dazu aufrufen, nicht weiter auf das Niveau des Schulhof-Mobbings abzurutschen. Auch Delegierte von Radio Loretta haben sich mehrfach in den letzten Monaten auf den Diskussionen im Ton vergriffen und Beleidigungen ausgesprochen. Das ist ebenfalls nicht hinnehmbar. Der Unterschied zu projekt_r und Stadtteilradio liegt allerdings darin, dass diese Personen von anderen Radio Loretta-Mitgliedern während der Sitzung zur Mäßigung aufgefordert wurden und sie nicht in ihrem fehlerhaften Verhalten bestärkt wurden. Wir darüber hinaus haben diese Verhaltensweisen auf den Loretta-Treffen intern kritisiert und soweit aufgearbeitet, dass es zu keinen weiteren Entgleisungen gekommen ist.

Staying In The Same Place, Just Staying Out The Time

Auf der ABG vom September ist Güncel Radyo unangekündigt dem Treffen fern geblieben, weshalb die im August offen gebliebenen Punkte nicht diskutiert werden konnten. Zudem waren die Delegierten von Stadtteilradio und projekt_r nicht anwesend. Die ABG vom September war mit dem Fernbleiben nicht in der Lage den Beschluss aus dem August umzusetzen. Der Aussetzungsbeschluss aus dem August blieb also ganz formal bestehen: Die Sendung muss ausgesetzt bleiben, bis endgültig auf einer nächsten ABG ein Beschluss nach einer weiteren Diskussion gefasst werden kann. Auf dieses Vorgehen einigte sich die ABG vom September im Konsens.

Im weiteren Verlauf haben die Delegierten von projekt_r und Stadtteilradio die Sendung Güncel Radyo dazu ermutigt, weiter zu senden. Mit Erfolg. Güncel Radyo hat sich der weiteren Diskussion auf der September ABG entzogen und sich über den Beschluss der ABG, also des höchsten Entscheidungsgremiums des FSK hinweggesetzt.

Als im Frühjahr 2002 das wegen antisemitischer Sendeinhalte ausgesetzte „Forum-Radio“ Programm „Afrika, Asien, Lateinamerika – Inkontakt“ gegen die Beschlüsse der ABG weiter auf Sendung ging, haben damals verschiedene FSK-Aktive versucht den Treppen-Zugang zum FSK-Studio, das damals noch im Schulterblatt war, zu blockieren. Forum Radio hat sich damals mit Schlägen und Tritten den Weg in das Studio verschafft und war spätestens damit für einen absoluten Tiefpunkt in der Geschichte des Freien Sender Kombinats verantwortlich.

Im Herbst 2017 sitzen Delegierte von projekt_r und Stadtteilradio, von denen damals eine Person den Zugang von „Forum Radio“ verhindern wollte, wieder auf einer Treppe, die in den Studiobereich des FSK führt und schützen Güncel Radyo, das sich durch Diskussionsverweigerung über die Beschlüsse der ABG hinwegsetzt. Das geht jetzt seit drei Donnerstagen so.

Wir reagieren nicht auf diese Provokation, denn wir als Radio Loretta haben kein Interesse daran, mit Brüllerei oder Faustkämpfen, Güncel Radyo an ihrer Mißachtung der Strukturen zu hindern. Dazu sagte mal jemand, dass sich die Geschichte wiederholt, das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.

Zur Erinnerung: Die Delegierten von projekt_r und Stadtteilradio werfen den Leuten, die noch offene Fragen an Güncel Radyo haben, eine fehlende „inhaltliche Begründung“ vor, bei gleichzeitiger Boykottierung eben der Treffen, auf denen die inhaltliche Diskussion stattfindet. Darüber hinaus wird mit der Annahme kokettiert, dass durch das Fernbleiben von Delegierten von projekt_r und Stadtteilradio angeblich „keine Verlängerung der befristeten Aussetzung“ mehr möglich ist, die diese selbst verantwortet haben. Der Boykott von Treffen ist also eine taktische Maßnahme, um kritische Diskussionsbeiträge von anderen Delegierten und Einzelpersonen ins Leere laufen zu lassen.

Touching From A Distance

Ein ehemaliges Mitglied von Radio Loretta und jetzt Unterstützer*in der Delegierten von projekt_r und Stadtteilradio schrieb neulich in einer FSK-Mailingliste:

»Ich habe großen Respekt vor dem unermüdlichen Einsatz einiger Loretta-Aktiven für die technische Ausstattung von FSK – den politischen Schaden, den ihr gerade anrichtet, macht aber auch ein professionell ausgestattetes Studio nicht wett.«

Übersetzt heißt das: Radio Loretta soll weiter den Müll runtertragen, die Studios in Schuss halten, die Sendeabläufe programmieren und den Getränkeautomaten auffüllen – aber den Mund halten, wenn es um inhaltliche Diskussionen geht. Wir tragen gerne weiter den Müll runter, aber wir haben nicht vor, uns durch Drohungen und verbale Übergriffe aus den notwendigen Auseinandersetzungen um das FSK verdrängen zu lassen.

Das Vorgehen von Güncel Radyo, der Delegierten von projekt_r und Stadtteilradio ist in der Form ein Angriff auf die Strukturen des FSK. Wir erwarten von den Delegierten von projekt_r und Stadtteilradio, die Beschädigung der Strukturen des FSK einzustellen, die Zwischenstände von Diskussionen zu akzeptieren und mit Argumenten in die Auseinandersetzung zurückzukehren.

»FSK – das heißt „furchtbar schwieriger Kompromiss«. Das stimmt! Um uns auf die Suche nach diesem Kompromiss zu begeben, möchten wir am nächsten Donnerstag, den 5. Oktober 2017, auf der ABG wieder in die gemeinsame Diskussion einsteigen. Dann können wir zusammen herausfinden, ob und wie wir diese Erstarrung aufbrechen können.

Radio Loretta, 3. Oktober 2017

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