Dem ist nichts hinzuzufügen - (Wir dokumentieren eine Erklärung der Rechtsanwälte Kahlen, Monneck und Dr. Stolle.)

Verwaltungsgericht Hamburg erklärt Freiheitsentziehung eines Italienischen Staatsbürgers während des G20-Gipfels in Hamburg für rechtswidrig

05.06.2018 20:25:00

Am Wochenende des G20-Gipfels kam es in Hamburg zu einer Vielzahl von polizeilichen Maßnahmen. Diese richteten sich im Laufe des Gipfels insbesondere gegen Personen, die aus dem Ausland nach Hamburg gekommen waren, um gegen den G20-Gipfel zu demonstrieren. Nach der am Samstag, dem 08.09.2017 stattfindenden friedlichen Großdemonstration mit dem Thema „Grenzenlose Solidarität statt G20!“ wurde eine Gruppe von 15 italienischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern im Bereich der Straße „Holstenwall“ durch Polizeikräfte umstellt, einer Kontrolle der Personalien unterzogen und anschließend in die Gefangenensammelstelle in Hamburg-Harburg verbracht.

Unter den Betroffenen befand sich eine italienische Abgeordnete des EU-Parlamentes. Strafrechtliche Vorwürfe wurden gegen die Betroffenen ausdrücklich nicht erhoben. Gleichwohl wurden die Betroffenen zum Teil erst nach mehr als 24 Stunden aus dem polizeilichen Gewahrsam entlassen, ohne dass die Betroffenen einem, im Nachbargebäude ihren Dienst versehenden und für die Frage der Rechtmäßigkeit einer Freiheitsentziehung zuständigen, Richter vorgeführt wurden. Insgesamt 10 der 15 Betroffenen erhoben vor dem Verwaltungsgericht in Hamburg eine auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung gerichtete Klage.

Am 05.06.2018 fand vor dem Verwaltungsgericht Hamburg die mündliche Verhandlung über insgesamt 8 der 10 erhobenen Klagen statt. Im Rahmen der Beweisaufnahme teilte der als Zeuge vernommene Hundertschaftsführer der Polizei Hamburg, welcher die Ingewahrsamnahme angeordnet hatte, mit, dass für ihn die Tatsache, dass die Herkunft der Kläger, die mitgeführte Bekleidung sowie das Erscheinen des Versammlungsleiters, des Politikers Jan van Akten, bei der Kontrolle maßgebliche Kriterien für die Gefährlichkeit der Kläger und damit die Anordnung der Freiheitsentziehung gewesen seien.

Diesen Ausführungen folgte das Verwaltungsgericht nicht und urteilte in dem bislang einzigen entschiedenen Verfahren, dass die gegenüber dem Kläger verfügte Freiheitsentziehung rechtswidrig gewesen sei. Im Rahmen der mündlichen Urteilsbegründung betonte das Gericht den hohen Stellenwert der Versammlungsfreiheit. Dem Kläger sei als Teilnehmer der Abschlusskundgebung durch die Freiheitsentziehung, die ohne Rechtsgrundlage und ohne die erforderliche Gefahrenprognose erfolgt sei, „schweres Unrecht“ widerfahren. Der Kläger sei durch das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit geschützt gewesen, weswegen die von der Polizei durchgeführten polizeirechtlichen Maßnahmen ausgeschlossen seien. Weder die Staatsangehörigkeit, noch die mitgeführte Bekleidung könne Grundlage für die von der Polizei angestellte Gefahrenprognose sein. Eine ohne Tatsachengrundlage an die Einsatzkräfte ausgegebene Warnmeldung im Hinblick auf italienische Staatsbürger sei „unverantwortlich“ gewesen. Im Übrigen stelle es sich auch als rechtswidrig dar, dass der Kläger bis zum Ende der etwa 25 Stunden andauernden Freiheitsentziehung keinem Richter vorgeführt worden sei, obwohl dies nach dem Gesetz unverzüglich zu geschehen habe.

Die Rechtsanwälte Kahlen, Monneck und Dr. Stolle, die die Kläger vertreten, begrüßen die Entscheidung.

„Das Urteil macht deutlich, wie eklatant durch die Polizei während des G20-Gipfels das Recht gebrochen wurde“, erklärte Rechtsanwalt Dr. Stolle. „Die Rechtfertigung einer 25-stündigen Freiheitsentziehung allein wegen einer italienischen Staatsangehörigkeit und des Tragens einer schwarzen Windjacke zeigt eine erhebliche Distanz der Hamburger Polizei zu Verfassungsgrundsätzen“.

„Das Urteil ist eine lange überfällige Botschaft an die Hamburger Polizei, die während des G20-Gipfels massiv das Grundrecht der Demonstrierenden auf Versammlungsfreiheit missachtet und so den legitimen und grundgesetzlich geschützten Protest unterbunden hat!“, führte Rechtsanwalt Ralph Monneck aus.

Rechtsanwalt Kahlen wies darauf hin, dass das Gericht im Rahmen der mündlichen Urteilsbegründung auch die Organisation in der Gefangenensammelstelle kritisiert habe und stellte klar: „Wenn Betroffene einer Freiheitsentziehung 25 oder mehr Stunden auf die nach dem Grundgesetz unverzüglich zu erfolgende richterliche Überprüfung des Gewahrsams warten müssen, stellt dies einen schwerwiegenden Verstoß gegen elementare Verfahrensgrundsätze und damit einen erheblichen Mangel an Rechtsstaatlichkeit dar.“
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