Zu den Hausdurchsuchungen am 9. Mai in Hamburg (Kommentierende Reportage vom Beginn der Demonstration am Abend)

Studio: Und da haben wir auch schon den nächsten Livebericht von der Roten Flora... Wie sieht es denn dort z.Zt. bei Dir aus?

Reporter: Ich befinde mich ganz vorne der noch nicht losgegangenen Demonstration. Die Demonstration hat sich aber auf die Straße soweit begeben und es sieht dannach aus, als wenn es in Kürze dann auch losgeht. Pressetross davor mit vielen Kameras und eine etwas gespannte Ruhe gerade hier vor Beginn der Demonstration.

Studio: Eben konnte uns noch keine genauere Angabe zu dem Fronttransparent gegeben werden. Kannst Du dazu was sagen?

Reporter: Das Fronttranparent, da stehe ich fast davor, das bezieht sich ausschließlich auf den G8 und wird insofern dem Thema nicht wirklich gerecht. Ich versuch mal gerade das zu entziffern: „We want you for action – make Capitalism Historie – smash G8.

Das ist das Frontransparent. Das trifft den Punkt nicht ganz, was den heutigen Anlaß dieser Demonstration angeht.

Dazu muß man 'n bischen zurückgreifen noch nämlich in die Weihnachtszeit. Seit Weihnachten letzten Jahres ist das Bundeskriminalamt hier in Hamburg tätig auf Grundlage und Hintergrund des Brandanschlages gegen das Auto des ehemaligen u.a. Wirtschaftsstaatssekretärs hier in Hamburg auch letzten Spitzenkandidaten Mirow, das Auto seiner Frau, einer bekannten Journalistin wurde da angegriffen. Das wurde vom BKA zum Anlaß genommen zusammen mit den Hamburger Behörden hier ein Ermittlungsverfahren nach § 129a zu inszenieren, das heute seinen vorläufigen – muß man betonen - Höhepunkt gefunden hat. Dieses Ermittlungsverfahren mit der großen Welle von Hausdurchsuchungen die hier in Hamburg stattgefunden haben. Es wurden ja, das ist heute vielfach bei uns auch schon berichtet worden, insbesondere Computer beschlagnahmt, Festplatten beschlagnahmt, handschriftliche Nozizen beschlagnahmt und seit Weihnachten konnte man sich auf Grund auch der Presseverlautbarungen darauf einstellen, daß ein groß angelegter Schlag zur Ausforschung der Strukturen der Hamburger Linken geplant ist.

Wie gesagt: Dieser Schlag hat heute seinen vorläufigen Höhepunkt gefunden. Das Ganze in einem Zeitraum, wo - der Sicherheitsdiskurs - gerade zu krampfhaft versucht wird, bundesweit wieder zu reanimieren.

Heute ist mit Nachdruck in Erinnerung gerufen worden, daß die linke Szene den rechten Kreisen dieses Landes als terroristische Szene gilt. Das sollte man, diese Sprachanalogie die darinnen steckt, sollte man sehr Ernst nehmen und insofern ist hier wohl auch ein demonstratives Zeichen gesetzt worden.

Das ist der eine Punkt, der andere Punkt ist:

Warum auch dieses Fronttransparent sozusagen haarscharf daneben geht:

Seit Weihnachten in etwa ist ganz deutlich, daß die CDU nach einem Thema sucht, mit dem sie den Bürgerschaftswahlkampf im alten Stile wieder anheizen kann und zu diesem Thema gehört die Rote Flora. Das alte Haßobjekt der Rechten in dieser Stadt wieder in das angemessene Licht zu rücken – das ist u.a. auch das Ziel der heutigen Aktivitäten meiner Einschätzung nach. Hier geht es darum für den Bürgerschaftswahlkampf zu inszenieren, wie das auch schon am 1. Mai 2000 geschehen ist, daß hier das Horrornest versammelt sei, das man nun gezielt angehen müsse und das ist im Kern heute auch Gegenstand der Hausdurchsuchung in der Roten Flora gewesen. Dort wurden im Wesentlichen neben der Beschlagnahme der Computer und von Materialien... ist im Wesentlichen vor allem das Gebäude fotografiert worden von Innen, alle Grundrisse sind gefertigt worden, wir kennen das, wir haben das auch schon erlebt und solche Sachen liegen dann natürlich für die Pläne die in den Schubladen ohnehin schon bereit liegen... werden dazu gepackt um dann gegebenfalls sich das Gebäude als Ganzes mal vornehmen zu können.
So ungefähr stellt sich dieser Tag hier heute dar; man konnte sozusagen zählen, die Tage zählen, wann dieses Szenario dann nun auch in Kraft treten würde. Das ist mit dem heutigen Tage geschehen. Die CDU hier in Hamburg gibt sich zwar in letzter Zeit betont bürgernah, sozial etc. versucht die lebenswerte Stadt zu inszenieren, versucht mit den Grünen zu kuscheln.

Tatsächlich aber gibt es in der Hamburger CDU einen rechten und rechtsradikalen Flügel dem der Abgang von Schill noch heute schwer im Magen liegt und die sich in diese Zeiten zurückwünschen. Das ist ein Teil des Tages heute, mit dem dieser Flügel versucht zurückzukehren. Interessant ist vielleicht in diesem Zusammenhang noch, daß das innerhalb der Hamburger Polizei umstritten ist. Ein umstrittenes Vorgehen, weil die Hamburger Polizei – teilweise zumindest – begriffen zu haben scheint, daß sie hier für politische Vorhaben instrumentalisiert werden soll. Soweit vielleicht 'ne Einschätzung.

Jetzt genau geht die Demonstration los – sehr stürmisch beginnt die Demonstration und immerhin ist jetzt auch das Fronttransparent ausgewechselt worden: ASEM ist mit ins Visir genommen worden – der Asem Gipgel - und vor allem steht da denn auch drauf : Repression zurückschlagen

Studio: Eine Frage hätte ich da noch: Bei der Durchsuchungswelle am heutigen Tage handelt es sich ja um eine neue Dimension, also zumindest ist mir nicht bekannt, daß sowas in den letzten Jahren stattgefunden hat. Vielleicht das letzte mal Mitte der 90'er Jahre anläßlich der Radikal Hausdurchsuchungswelle. Wurde darauf eingegangen in den Redebeiträgen? Oder wird darauf in Transparenten eingegangen?

Reporter: Entschuldigung, ich muß unterbrechen; die Demonstration ist aufgestoppt woren. Hundert Meter nach Beginn der Demonstration ist die Demonstration aufgestoppt worden. Die Polizei hat jetzt Helme auf innerhalb kürzester Zeit. Die Demonstration ist durch ein dreifaches Spalier an den Seiten gesichert, an beiden Seiten gesichert – schlechtes Wort dafür – blockiert und durch eine große Gruppe (50 Polizistinnen und Polizisten) vor der Demonstration blockiert. So, jetzt ist gerade etwas Ruhe; vielleicht noch mal die Frage:

Studio: Meine Frage war, daß , bzw. ich habe gesagt, daß es sich ja bei dieser Hausdurchsuchungswelle erstmal um eine neue Dimension handelt, vielleicht das letzte mal Mitte der neunziger Jahre stattgefunden hat. Wird darauf in irgendeiner Form oder wurde darauf eingegangen in Redebeiträgen oder wird darauf durch Transparente eingegangen, in irgendeiner Form?

Reporter: Transparente habe ich so nicht gesehen; Redebeiträge habe ich nicht gehört, weil ich später dazu gekommen bin hier. Natürlich wissen das Alle, die hier sind – deswegen sind auch so Viele hier – das sind ja würde ich sagen auf jeden Fal Tausend, die ich hier so überblicken kann, die sich an der Demonstration beteiligen. Alle wissen das, daß das ein großer Schlag, das habe ich ja versucht eben noch mal anzudeuten, ein großer Schlag zur Aufdeckung von Strukturzusammenhängen der Linken ist. Die Anschläge werden dabei als Vorwand herangezogen und dementsprechend ist natürlich auch die Wut, die in dieser Demonstration spürbar ist und die Bereitschaft, sich zu Wehr zu setzen deutlich erkennbar.

Studio: O.K. ... Tatsächlich ist ja der heutige Tag dann auch noch mal in dem Kontext zu sehen, daß vor inzwischen auch schon wieder zwei Monaten das Jugendhaus in Kopenhagen geräumt worden ist. Das war die letzte Demo, letzte Spontandemo die vor der Roten Flora begonnen hat, die eigentlich fast genauso klang, wie das was wir da jetzt im Hintergrund hören, heute ist es entschieden angeheizter.

Tatsächlich ist genau die Tendenz im neuen Europa, genau solche Strukturen zu zerschlagen offenbar gegeben. Wir dürfen nicht vergessen, das wollte ich nur anmerken, daß es auch überhaupt die erste Hausdurchsuchung, die ohne vorherige Auseinandersetzung passiert ist. Es gab 2000 zum 1. Mai, in der Nacht zum 1. Mai eine Hausdurchsuchung, aber das war keine richtige Hausdurchsuchung, sondern das war eher tatsächlich daß die Polizei dann in der Flora war, weil angeblich von da was ausgegangen sein soll. Das ist aber auch schon wieder 7 Jahre her und das ist heute das erste Mal gewesen, daß die Polizei direkt in die Rote Flora für eine Hausdurchsuchung gegangen ist und Material beschlagnahmt hat. Das ist schon nach 20 Jahren Rote Flora ein ganz schöner historischer Einschnitt.

Reporter: Ja, ich hab das ja vorhin angedeutet oder ausgeführt: Die CDU hier in Hamburg, das ist ein lokales Phänomen, bereitet sich auf den Bürgerschaftswahlkampf vor und die CDU möchte zurück in die Situation des 1. Mai 2000 um sozusagen eine geschichtliche Wiederholung des rechten Diskurses in dieser Stadt hinzubekommen, mit dem sie dann die Bürgerschaftswahl gegen alle heutigen Aussichten dann doch noch irgendwie gewinnen kann.

Das ist der lokale Gesichtspunkt.

Der europäische Kontext ist der europäische Sicherheitsdiskurs, die Militarisierung nach Innen und nach Außen; zu dem natürlich die Zerschlagung solcher Szenen elementar dazugehört. Vor allem Großstädte sind davon betroffen. Das schlägt dann zurück auf ganze jugendkulturelle Bereiche und die Rote Flora spielt im jugendkulturellen Kontext in den letzten Jahren eine ganz große Rolle. Deswegen will man sie natürlich weghaben. Die Frage ist nur, die Frage, die dabei steht: Wird ihnen das gelingen und dieses ihnen gelingen, das ist davon abhängig wie jetzt sozusagen auch politisch das in den Kontext einer mehrmonatigen Mobilisierung geraten kann. Die Demo jedenfalls spricht in dieser Richtung erstmal eine gute Sprache, eine erfolgreiche Sprache und geht jetzt auch weiter, nachdem die Polizei sich zurückgezogen hat.

Studio: O.K. Dann erstmal vielen Dank von Deiner Stelle, wir hören dann voneinander...

Zu hören gibt es diesen Beitrag unter: http://www.freie-radios.net/portal/content.php?id=18510

Online hören

.



Feedback

Sendungen