Wo einige nicht verstehen wollen oder: wie man persönliche Interessen als Kritik an FSK verkauft

von: jes (veröffentlicht in: Lokalnachrichten Hamburg)

Etwas zu kritisieren, um die herrschenden Verhältnisse zu verändern - in der Welt, in dieser Gesellschaft oder auch in einzelnen linken Projekten wie z.B. dem Freien Sender Kombinat (FSK) - ist nicht nur legitim, sondern Notwendigkeit. Das eigene schiefe Verständnis von “Demokratie” und den Frust über die Tatsache, daß man sich als zuschauende Minderheit mit den eigenen Wünschen und Vorstellungen nicht durchgesetzt hat, hinter einer vermeintlichen Kritik zu verstecken, hierbei mit falschen Behauptungen, offensichtlichen Lügen und demagogischem Getue zu arbeiten, ist hingegen perfide und verlogen - und sagt vor allem etwas aus über die, die diese Art von “Kritik” als offensichtliche (Selbst)bestätigung brauchen.

Das klingt hart, ist allerdings auch so gemeint. Bereits vor vielen Jahren habe ich mir als damaliges Vorstandsmitglied von FSK immer wieder Sprüche anhören müssen wie “Ihr da oben nehmt doch keine Rücksicht und zieht einfach euren Stiefel durch”. FSK sei “undemokratisch”, dort gebe es eine “Machtclique” und wie die sattsam bekannten und benutzten Begriffe so lauten - nur werden sie durch ständige Wiederholung nicht ein Jota richtiger. Und so langsam scheint es mir an der Zeit, zu derartigen Anwürfen doch einmal etwas zu sagen.

Wiederholt werden solche Vorwürfe im Ton von Feststellungen und “Wahrheiten” auch in dem Papier “Wo einige gleicher sind”, das auch in den Lokalberichten veröffentlicht wurde. Das Papier fängt gleich mit einer offensichtlichen Lüge an, indem nämlich behauptet wird: “Mittwoch, den 31.5., 22 Uhr: Hamburg hat einen Tag voll politischer Auseinandersetzungen erlebt, die zu dieser späten Stunde noch andauern. FSK sendet eine halbstündige „Zusammenfassung der Ereignisse“. Akteure und Betroffene kommen nicht zu Wort, die Forderungen und politischen Inhalte, um die es diesen Tag gegangen ist, werden mit keiner Silbe erwähnt. “ Tatsache ist - und wer möchte, dem schicke ich gern das mehrseitige Sendeprotokoll von diesem Tag, es hier abzudrucken möchte ich den LB nicht zumuten - dass FSK den gesamten Tag über damals über die Demonstrationen, Festnahmen und Hausdurchsuchungen berichtet hat, und zwar auch und gerade direkt durch Betroffene, die nämlich über Handy berichteten, was sich wo abspielte. Und natürlich nehmen auch die politischen Inhalte - nämlich die Proteste gegen Studiengebühren etc. - entsprechenden Raum in der Berichterstattung ein. Warum also die Lüge, denn die “KritikerInnen” wissen natürlich, dass es eine ist? Die Erklärung folgt zwei Absätze weiter: “Die entpolitisierten und polizeifixierten Demoberichte des FSK sind oft kritisiert worden – auch im Sender selbst. Dennoch machen die immer gleichen Leute weiterhin die immer gleichen Demosendungen. Was seinen Grund hat: Entscheidungen, die das gesamte Projekt betreffen, fällt eine kleine Gruppe von Leuten. Und die diskutiert nicht und lässt sich nicht kritisieren.” Die Lüge hat also einen Zweck: durch sie soll “belegt” werden, dass die “Machtclique” zum einen die Tatsache verschuldet, dass die Qialität der Sendungen bei FSK “unter der Grasnarbe” sei und darüber hinaus, dass nur jene politischen Inhalte erwähnt werden, die dieser “antideutsch dominierten Machtclique” genehm seien. Und genau so geht es dann weiter, es wird ein wenig herumgerührt im vermeintlich undemokratischen Sumpf, was schließlich in dem Satz gipfelt: “Während von außen kaum noch neue Leute und schon gar keine Gruppen es mehr in das FSK schaffen, macht sich drinnen eine Stimmung zwischen Resignation und Einschüchterung breit.” Wer soll da wen einschüchtern? Und wer sollte sich einschüchtern lassen? Resignation? Ich kann sie nicht feststellen - es sei denn, bei den “KritikerInnen”. Auf meine Frage an sie, ob sie sich denn über ihre Kritik innerhalb des Projektes auseinandergesetzt hätten, wurde mir geantwortet: nein, und das wolle man auch nicht, das bringe eh nichts. Natürlich, man kann sich ausrechnen, dass eine Mehrheit manche Diunge anders sieht und anders möchte, man sich also mit den ureigensten Vorstellungen nicht ohne Probleme und Diskussionen wird durchsetzen können. Und da scheint es allemal bequemer, “von außen Druck zu machen”, wie das jemand nannte. Aber was für ein Verständnis offenbart sich da eigentlich? Ich beteilige mich an einem Projekt, und wenn es dort nicht so läuft, wie ich möchte, dann bin ich sauer und erkläre jedem, wie undemokratisch dieses Projekt doch sei?? Das sagt wenig über das Projekt, aber viel über das eigene Verständnis aus. In der Vergangenheit ging das so weit, dass einige meinten, mit Hilfe der bürgerlichen Gerichte (einstweilige Verfügung, Klage) gegen das “eigene” Projekt zu Felde ziehen zu müssen. Dazu kann ich nur sagen: wer so handelt, hat nicht nur rein gar nichts kapiert, er hat auch in diesem Projekt nichts mehr verloren. Und ich füge als persönliche Anmerkung hinzu: vielleicht ist in der Vergangenheit an solchen Punkten von der Mehrheit nicht konsequent genug gehandelt worden.

Ein Wort zum Sendeverbot für Wolfgang von Knast und Justiz, das in dem Papier quasi “vereinnahmt” und als weiterer Beleg für die Willkür der “Machtclique” vorgeführt wird. Als Redakteur, der die Sendung Knast und Justiz vor ca. 10 Jahren ins Leben gerufen hat, habe ich einige Jahre lang gemeinsam mit Wolfgang gesendet. Wir waren und sind nicht immer einer Meinung, und das Sendeverbot für Wolfgang finde ich zum jetzigen Zeitpunkt so unnötig wie ich dessen Vermittlung nach außen für schlecht halte. Aber: es hat seinen Grund nicht einfach darin, dass bestimmte Inhalte nicht weiter vorkommen sollen. Weder bin ich politisch dem “antideutschen Lager” zuzurechnen noch haben sich die Inhalte von Knast und Justiz im Prinzip geändert. Die Gründe für das Sendeverbot sind vielschichtiger, müssen hier aber nicht im Detail ausgebreitet werden. Dennoch als Hinweis: es war Wolfgang, der als Delegierter der damaligen Gruppe Forumradio für diese in der AnbieterInnengemeinschaft (dem höchsten Gremium von FSK) deren Klage vor dem Amtsgericht gegen das Projekt ankündigte und begründete - etwas, was sich bis heute tatsächlich viele gemerkt haben. Das erklärt denn u.a., warum sich in diesem Fall die Gegner eines Sendeverbotes schwer taten.

Vielleicht sollte man einige Sätze zu der Frage sagen: was ist eigentlich Freies Radio - und was ist es nicht? Nach dem Verständnis der Mehrheit bei FSK ist Freies Radio nicht der “Wurmfortsatz” irgend einer linken Bewegung oder Strömung. Und FSK ist auch nicht der “linke offene Kanal”. Oder anders ausgedrückt: “ Freies Senden begehrt etwas anderes: öffentliche Produktion. In einer Gesellschaft, in der Privatbesitz das höchste geschütztte Gut ist und in der alle Produktion entsprechend privat ist, begehrt Freies Radio, öffentlich zu produzieren, was niemandem jemals gehören wird: Radio, die ausgestrahlte Stimme, wie sie sich zufällig über die Radiogeräte der Stadt verteilt. Im FSK ist jede und jeder richtig, die nicht privat “ihre” eigene Sendung produzieren will. Das können alle vielleicht bei TIDE tun. Da werden Sendungen vom Chefredakteur eingeteilt und wie Privatbesitz behandelt - ganz im Rahmen kapitalistischer Produktionsbedingungen. Im FSK sind Sendeplätze kollektiver Besitz. Mit den Redaktionen schaffen wir öffentliche Produktionsbedingungen. Das ist nur möglich, weil die politische Struktur des Senders von den Einzelinteressen der Sendenden unabhängig ist. (...) So essentiell Gegenöffentlichkeit innerhalb der Hamburger Medienlandschaft ist, FSK muss darüber hinausgehen. Als Teilöffentlichkeit ermöglicht es politische Intervention. Unsere HörerInnen sind keine KonsumentInnen, sondern ProduzentInnen kritischer Öffentlichkeit.Als Sprachrohr einer Szene wäre die politische Teilöffentlichkeit nicht erreichbar, sondern nur als Partikularöffentlichkeit beschallbar. Nicxht die Versicherung einer linken Identität müssen wir produzieren, sondern die Debatte über das gesellschaftliche Elend. Erst sie kann perspektivisch das soziale Verhältnis von Hörenden und Sendenden aufheben.” * Wer also dauernd behauptet, bei FSK sorge die “Machtclique” für undemokratische Verhältnisse, hat nicht nur nichts davon verstanden, er degradiert auch bis zu 150 Menschen, die bei FSK Sendungen produzieren, immer wieder zu Objekten jener vermeintlichen “Machtclique” - das ist zwar erklärbar getreu dem eigenen Verständnis als nicht beachtetes, unterdrücktes Objekt, das sich durch die Vorwürfe zeigt, gleichwohl aber gegenüber den anderen Sendenden nicht weniger übel.

Natürlich gibt es an FSK, an den Strukturen, an dem, was sich dort täglich abspielt, notwendige Kritik. Es geht weder mir noch anderen so, dass wir davon ausgingen, es sei alles wunderbar. Aber Kritik - solidarische Kritik, die jene “KritikerInnen” einfordern, aber nicht zu leisten bereit sind - bedingt ständige Auseinandersetzung, ständige Mitarbeit, sich selbst zu begreifen als innerhalb des Projektes frei assoziiertes und handelndes Subjekt. Wer sich an einem Projekt wie FSK beteiligt, sollte dies nicht tun, weil er dort “seine” Sendung(en) machen will und damit hat sich. Genau an diesem Punkt liegt aber leider oft das Problem. Damit ein Radio funktioniert, bedarf es vielfältiger Arbeit, Organisation und Überlegung. FSK funktioniert nicht von selbst, Menschen müssen sich einbringen, auch und gerade über “ihre” Sendung hinaus, sich als Teil des Ganzen verstehen, mitdenken, mitarbeiten. Es ist jedoch leider wie bei vielen anderen Projekten auch: einige wenige müssen viel erledigen, damit “der Laden läuft” und geraten so quasi automatisch in eine Situation, in der sie mehr entscheiden als andere, die sich nicht derart beteiligen: “Wir sind die warenförmigen Verkehrsformen keineswegs losgeworden, vielmehr reproduziert sich die spektakuläre Teilung in Aktivität und Passivität, Teilnahme und Kontemplation, Handelnde und ZuschauerIn innerhalb des Radios. Die durch Handeln erreichte Kompetenz wird von dem freiwilligen Publikum als Macht einer Einzelperson, Clique oder eines “Machtzentrums” wahrgenommen, während sie sich selbst nur als “Basis”, somit Gralshüter der Anti-Macht, Bewegung, Politik, Unschuld, revolutionären Ambitionen, begreifen können. So entstehen zugleich deformation professionelle der in den SpezialistInnenstatus gedrängten und von Seiten der spectateurs die Projektion einer konterrevulutionären Verschwörung der “Macht”.”

Ja, wir brauchen eine ständige Auseinandersetzung über Freies Radio und dessen Möglichkeiten, die noch lange nicht ausgereizt sind, im Gegenteil. Ja, wir brauchen eine Debatte darüber, was FSK in dieser Stadt und ggf. auch darüber hinaus leisten kann und will, immer wieder neu sozusagen. Und vor allem brauchen wir natürlich möglichst viele Menschen, die sich auch bei FSK einbringen wollen,an dem teilhaben wollen, was Freies Radio letztlich will: die Aufhebung des sozialen Unterschiedes zwischen Hörenden und Sendenden, das Radio als öffentlicher Raum. Jede und jeder, der dies möchte, ist zu entsprechender Auseinandersetzung in Theorie und Praxis eingeladen, mensch kann im übrigen jederzeit auch persönlich bei FSK vorbeischauen, und sei es auch nur, um sich den Laden mal anzuschauen. Was wir alle aber - über FSK hinaus wie ich finde - nicht brauchen können, ist der untaugliche Versuch, das erkämpfte, so wenig es auch sei, als quasi “Teil der Gegenseite” zu denunzieren, um so den eigenen Unwillen zur Auseinandersetzung zu erklären und die eigenen Interessen zu befördern. Das ist auch dann nicht hinnehmbar, wenn es denn - was ich in diesem Fall nicht denke - nur auf der Unwissenheit der Betroffenen über das Wesen von Freiem Radio und FSK im Konkreten beruht. Und sei es auch nur deshalb, weil wir die Zeit, die wir alle brauchen, uns mit diesen Versuchen auseinander zu setzen und sie letztlich als das zu entlarven, was sie sind, für alle nutzbringender verwenden könnten. Etwa bei der Umsetzung von Wünschen: “ Unser Wunsch nach freiem Radio hat nicht nachgelassen, im Gegenteil. Ein Radio, das im Knast Handlungsräume eröffnet, statt Linke als Märtyrer zu feiern. Ein Radio, das abweicht und alle Regeln quert. FSK ist ein Geschenk, das Geschenke sendet. Sie sollen in der freien Assoziation glücklich machen. Und wie nebenher die nationalen Identitäten zerstreuen, die sozialen Interventionen in den Alltag vervielfältigen und mit den öffentlichen Produktionen experimentieren, um die größtmögliche emanzipatorische Veränderung der Gesellschaft und des Lebens zu erzeugen.”*

jes (veröffentlicht in: Lokalnachrichten Hamburg)

* aus: Vom Glück der freien Assoziation, Radio Loretta Juli 2006

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