Massiver Eingriff in die Rundfunkfreiheit

Pressemitteilung
Hamburg, 8. September 2004

Massiver Eingriff in die Rundfunkfreiheit
Der Hamburger Sender FSK erhebt Verfassungsbeschwerde

Vor knapp einem Jahr, am 25.11.2003, riegelten zwei Hundertschaften Polizei, Staatsanwaltschaft und Staatsschutz die Räume des Freien Sender Kombinats (FSK) einen Nachmittag lang von der Außenwelt ab. Ziel der Hausdurchsuchung war die Beschaffung eines Interviews, das vier Wochen zuvor mit dem Polizeipressesprecher geführt und im Programm von FSK gesendet worden war. Gegen diese unverhältnismäßige Maßnahme reichte das Hamburger Freie Radio zwei Klagen ein, um richterlich feststellen zu lassen:
1. dass die Anordnung der Durchsuchung rechtswidrig war und eine empfindliche Verletzung des Presserechts darstellt;
2. dass die Durchführung der martialisch inszenierten Razzia rechtswidrig war, denn die Ermittler fertigten in großem Umfang Grundrissskizzen und Fotografien an, beschlagnahmten Redaktionsunterlagen und Adresslisten und unterbanden eine Live-Berichterstattung über die laufende Durchsuchung mit der Drohung, den Sender abzuschalten.
Beide Klagen wurden inzwischen vom Landgericht Hamburg abgewiesen, teilweise ohne Begründung.
Daher erhebt das FSK jetzt Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe.

Das Bundesverfassungsgericht soll feststellen, dass die Anordnung der Durchsuchung verfassungswidrig war

Anlass der Hausdurchsuchung war ein angeblich nicht-autorisiertes Telefoninterview, in dem der Pressesprecher der Hamburger Polizei zu zwei Festnahmen bei Bambule-Demonstrationen befragt worden war. Gesucht wurden die Verantwortlichen und die Originalaufnahme des Interviews. Wie sich aus den Ermittlungsakten ergibt, war der verantwortliche Redakteur den Behörden aber bereits bekannt, hatte er sich doch zu Beginn des Interviews mit seinem Namen vorgestellt. Darüber hinaus lag der Staatsanwaltschaft zum Zeitpunkt der Durchsuchung ein vollständiger Sendemitschnitt vor.
Statt sich zu einer Klärung mit dem Verantwortlichen im Sinne des Presserechts in Verbindung zu setzen, zogen es Staatsanwaltschaft, Staatsschutz und Polizei vor, überfallartig in die Redaktionsräume einzudringen, zu drohen "alles mitzunehmen" und Adress- und Redaktionsordner zu beschlagnahmen.
"Es war eine martialisch inszenierte Razzia, die zur Diskreditierung, Einschüchterung und Durchleuchtung eines kritischen, politisch missliebigen Medienunternehmens dienen sollte. Das Ganze stellt einen massiven Eingriff in die Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit und damit in die Pressefreiheit dar", bilanziert der presserechtlich Verantwortliche des FSK Erhard Wohlgemuth.

Das Bundesverfassungsgericht soll feststellen, dass die Durchführung der Durchsuchung verfassungswidrig war

Während der mehrstündigen Durchsuchung machten die Beamtinnen und Beamten etwa 50 Fotografien von den beiden Studios, den Büro- und Kellerräumen und fertigten mehrere Grundrissskizzen an, wie sie sonst zur Tatortsicherung bei Kapitalverbrechen üblich sind. Keine dieser Maßnahmen stand in Bezug zu dem gesuchten Tonträger oder dem verantwortlichen Redakteur:
"Das Ausspähen von Redaktionen fängt nicht erst mit dem Entwurf des neuen Polizeigesetzes und dem in Zukunft drohenden Lauschangriff gegen Journalistinnen und Journalisten an, wir stecken bereits mitten drin", so Vorstandsmitglied Regina Mühlhäuser.
Während vor der Tür zwei Hundertschaften Polizei den Zugang zu den Redaktionsräumen versperrten, wurden hinter den Moderatoren der laufenden Radiosendungen Beamtinnen und Beamte des Landeskriminalamts postiert. Sie überwachten den Inhalt der Sendungen und drohten, die Sendeanlage abzuschalten wenn auch nur ein Wort über den unerwünschten Besuch über den Äther ginge.
"Was an diesem Nachmittag in den Räumen des FSK geprobt wurde, war direkte Zensur durch die Hamburger Polizei", empört sich Torsten Michaelsen von der Geschäftsführung des Senders.

Die anschließende Behandlung des Vorfalls durch die Hamburger Fachgerichte ist nicht minder skandalös und diente offenkundig allein dem Ziel, das rechtswidrige Vorgehen nachträglich zu legitimieren bzw. zu kaschieren.
Um derartigen Maßnahmen weiter juristisch entgegenzutreten und für die Zukunft vorzubeugen, zieht FSK jetzt vor das Bundesverfassungsgericht.

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