Stellungnahme zur geplanten Änderung des Medienstaatsvertrags

STELLUNGNAHME DER ANBIETERINNENGEMEINSCHAFT IM FSK E.V. ZUM STAATSVETRAG ZUR ÄNDERUNG DES STAATSVETRAGES ÜBER DAS MEDIENRECHT IN HAMBURG UND SCHLESWIG-HOLSTEIN (DRITTER MEDIENREFERENTENENTWURF EINES STAATSVERTRAGES ÜBER MEDIENRECHT IN HAMBURG UND SCHLESWIG-HOLSTEIN)

Die AnbieterInnengemeinschaft im FSK e.V. möchte in ihrer Stellungnahme auf zwei gravierende Versäumnisse hinweisen, die der Staatsvertrag über das Medienrecht in Hamburg und Schleswig-Holstein bereits seit seiner ersten Fassung aufweist und plädiert dafür, entsprechende Änderungen in den Änderungsstaatsvertrag aufzunehmen.

Änderungsbedarf wird geltend gemacht

1. hinsichtlich der expliziten Erwähnung des nichtkommerziellen Lokalradios im Medienstaatsvertrag als eigenständiger Veranstaltungsform des Rundfunks, um sicherzustellen, dass diese auch in Zukunft in beiden Bundesländern ihren Platz hat. Bereits in unserer ausführlichen Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Staatsvertrags über Medienrecht in Hamburg und Schleswig-Holstein vom 8. März 2006 machten wir auf das Fehlen einer entsprechenden Regelung aufmerksam. Inzwischen sind auf europäischer Ebene eindeutige Beschlüsse zugunsten der europaweiten Anerkennung und Förderung nichtkommerziellen Lokalradios gefallen, die eine Anpassung des Medienstaatsvertrages gebieten.

2. hinsichtlich des Umgangs mit Wahlwerbesendungen durch Parteien. Hier wird eine Modifizierung des Medienstaatsvertrages gefordert, die sicherstellt, dass die Rundfunkfreiheit nicht zugunsten einer generellen Parteienprivilegierung verletzt wird.

1. ZUR BERÜCKSICHTIGUNG VON NICHTKOMMERZIELLEM LOKALRADIO

Der Medienstaatsvertrag HSH versäumt in der bisher gültigen Fassung, Regelungen für eine angemessene Berücksichtigung des Nichtkommerziellen Lokalradios zu treffen. Leider sieht auch der vorliegende Entwurf des dritten Änderungsstaatsvertrages keine entsprechenden Regelungen vor. Die AnbieterInnengemeinschaft im FSK e.V. plädiert dafür, eine entsprechende Regelung in den § 26, der die Zuweisung terrestrischer Übertragungskapazitäten regelt, aufzunehmen.

a) Um die Bedeutung Nichtkommerziellen Lokalradios zu verdeutlichen, ist ein kurzer Blick in die bundesdeutsche Radiogeschichte hilfreich: In den 1980er Jahren wurden in der BRD in unterschiedlichen Bundesländern immer zahlreicher Offene Kanäle staatlich etabliert. Auf diese Weise sollten die demokratischen Grundsätze von Medienvielfalt und Meinungsfreiheit in Deutschland sichergestellt werden. Der Grundgedanke war, prinzipiell jeder Bürgerin und jedem Bürger im Offenen Kanal die Produktion und das Senden von Radiobeiträgen zu vermitteln, und dem Publikum die Möglichkeit den Eindruck unterschiedlicher Öffentlichkeiten zu verschaffen. Einerseits sollte auf diese Weise Medienkompetenz vermittelt und andererseits – gerade vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte und der Gleichschaltung der Medien zwischen 1933 und 1945 – eine Gewährleistung von Meinungsfreiheit und Medienvielfalt sichergestellt werden. Ab Ende der 1980er Jahre mehrte sich allerdings die Kritik, dass die Offenen Kanäle folgenlos blieben, da im Rahmen der begrenzten Sendegefäße nur eingeschränkte Vermittlung von Medienkompetenz möglich sei und die Offenen Kanäle in der Regel vergleichsweise wenig gehört werden würden.„Ein ‚offener Kanal’, auf dem Prinzip der Warteschlange beruhend [...], ist immer nur vom Produzenten hergedacht, schafft also Mitteilungsmöglichkeiten ohne deren Medienrelevanz zu bedenken“ (Hans Joachim Kleinstäuber et.al., Nicht-kommerzielles Lokalradio: internationale Erfahrungen im Vergleich, Hamburg 1989, S. 567).
Der Hamburger Ausbildungskanal Tide, der den Hamburger Offenen Kanal am 01.04.2003 abgelöst hat, versucht, diese Probleme durch eine Professionalisierung zu lösen. Dabei wird der Schwerpunkt auf die journalistische Ausbildung der Sendenden gelegt, Tide spricht somit vor allen Dingen angehende Journalistinnen und Journalisten an. Die ursprüngliche Idee des Offenen Kanals, bei der jede Bürgerin und jeder Bürger möglichst niedrigschwellig Zugang zum Medium Radio erhalten konnte, um Medienkompetenz zu erlernen und Meinungsfreiheit zu sichern, fällt beim Hamburger Ausbildungskanal weitgehend weg. Das Ziel des Freien Sender Kombinats und der anderen nichtkommerziellen Lokalradios ist es nicht, Spezialisten der Vermittlung auszubilden. Vielmehr geht es darum, den Erwerb von Medienkompetenz auch denjenigen zu ermöglichen, die keine Profikarriere anstreben.

b) Nichtkommerzielles Lokalradio legt den Schwerpunkt auf eine doppelte Vermittlung von Medienkompetenz: nicht nur die Sendungen werden selbst produziert, sondern auch der Sender wird selbst organisiert. Die Verantwortung erstreckt sich nicht nur auf den eigenen Programmplatz, sondern auf das gesamte Radio. Das Lernen findet also in der Medienrealität statt, nicht in einem abgesonderten Schulungskanal. Es umfasst nicht nur das Gestalten von Beiträgen und Sendungen, sondern verantwortliches Umgehen mit kollektiven Entscheidungsstrukturen. Anders als in Offenen Kanälen und Ausbildungskanälen lernen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Nichtkommerziellen Lokalradio zwangsläufig Teamfähigkeit. Nichtkommerzielles Lokalradio wird zum Ort der Partizipation als „sachbewusste aktive Teilnahme und Einflussnahme von Betroffenen am gesellschaftlichen Lebensprozess und damit auch dem politischen Willensbildungs und Entscheidungsprozess.“ (Claus Eurich, Kommunikative Partizipation und partizipative Kommunikationsforschung, Frankfurt am Main 1980, S. 257). Wie kein anderes Medium bietet das Nichtkommerzielle Lokalradio Möglichkeiten der demokratischen Teilhabe. Nichtkommerzielle Lokalradios können als ein Mittel gegen Legitimationsprobleme der Politik auf lokaler Ebene verstanden werden. Nichtkommerzielle Lokalradios erzeugen eine „partizipative Öffentlichkeit“, die wesentlich mehr leistet, als die Bereitstellung von Informationen: Sie bietet die „Chance zur offenen und vielfältigen Meinungsäußerung“ (Eurich, S. 260). Die aus Art. 5 Abs. 1 GG abgeleitete Verpflichtung zur bestmöglichen Meinungsvielfalt gebietet es, auch diese Meinungen zu Gehör zu bringen. Nichtkommerzielles Radio kann hier, da nicht gebunden durch Werbeeinnahmen, eine wichtige Position einnehmen und so zur Gewährleistung von Meinungsvielfalt beitragen.

c) Im Nichtkommerziellen Lokalradio wird auf einzigartige Weise lokale Berichterstattung betrieben, denn hier findet bereits die Produktion des Programms auf lokaler Ebene statt. Da die inhaltliche Arbeit im Nichtkommerziellen Lokalradio ehrenamtlich stattfindet, ist die Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht finanziell begrenzt. Die Gestaltung des Programms wird also nicht von wenigen JournalistInnen vorgenommen, sondern von einer Vielzahl von Gruppen und Einzelpersonen auf lokaler Ebene. Das Nichtkommerzielle Lokalradio erschließt damit die „Kommune als Handlungsraum“, es veranstaltet Hörfunk auf „Gemeindeebene“ (Ottfried Jarren, Peter Widlok (Hg.): Lokalradio für die Bundesrepublik Deutschland, Berlin 1985, S. 27). Im Nichtkommerziellen Lokalradio ist die Rückbindung der medialen Erfahrung mit konkreter realer Erfahrung möglich. Diese Reflexion im Medium eröffnet Eingriffsmöglichkeiten – kann also eine Vorraussetzung werden für dringend benötigtes kommunales Engagement. Die kommunale Ebene kommt damit als „Aufbruchsebene“ (Otfried Jarren) zur Veränderung von Politikinhalten und formen in den Blick.

d) Die Unterstützung Nichtkommerzieller Lokalradios wird inzwischen sowohl vom Europäischen Parlament als auch vom Ministerkomitee des Europarates von den Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft gefordert. Das Ministerkomitee streicht in seiner Erklärung vom 11. Januar 2009 heraus, dass der Sektor der “Community Media”, der in Deutschland von den Nichtkommerziellen Lokalradios vertreten wird, einen einzigartigen Beitrag zur “Förderung des sozialen Zusammenhalts und des interkulturellen Dialogs” leiste. Es fordert die Mitgliedsstaaten auf, diese Rundfunkform neben dem öffentlichrechtlichen und dem privaten Rundfunk als eigenständige Form anzuerkennen und zu unterstützen. Explizit verlangt die Erklärung von den verantwortlichen Stellen, dieser Rundfunkform “eine ausreichende Anzahl von Frequnzen, sowohl analog als auch digital, zur Verfügung zu stellen” und eine Förderung dieser Medien sicherzustellen. Bereist am 25. September 2008 verabschiedete das Europäische Parlament die Erklärung zu “Community Media in Europa”, die ebenfalls ein Einwirken auf die nationalen Regierungen zur Verbesserung der Situation des nichtkommerziellen Rundfunk vorsieht.

Ein Medienstaatsvertrag, der nichtkommerziellen Lokalrundfunk nicht als eigenständige Veranstaltungsform des Rundfunks vorsieht, entspricht somit nicht mehr den Vorgaben der Europischen Union und bedarf dringend einer entsprechenden Anpassung. Die AnbieterInnengemeinshaft im FSK e.V. fordert deshalb, in den Medienstaatsvertrag eine Regelung aufzunehmen, die sicherstellt, dass in beiden Bundesländern ausreichende Übertragungskapazitäten ausschließlich für Nichtkommerzielles Lokalradio vorgesehen werden.

2. BESONDERE SENDEZEITEN, § 13 ABS 1: ZUM UMGANG MIT WAHLWERBESENDUNGEN DURCH PARTEIEN

§ 13 Abs. 1 des Medienstaatsvertrages regelt die Einräumung von besonderen Sendezeiten zur Wahlwerbung durch Parteien. Diese Frage gewinnt regelmäßig in Wahlkämpfen vor allem dann, wenn rechtsradikale Parteien auch über private Rundfunkanbieter ihre Propaganda zu verbreiten suchen. Der Medienstaatsvertrag sieht vor, dass Rundfunkveranstalter eines Landesvollprogramms oder eines Ländervollprogramms oder eines entsprechenden Programmteils den im jeweiligen Sendegebiet zugelassenen Parteien oder Vereinigungen Sendezeiten einräumen müssen.

Diese problematische Regelung beinhaltet eine weder erforderliche noch gebotene generelle Parteienprivilegierung zu Lasten der Rundfunkfreiheit. Eine Verpflichtung zur Einräumung von Wahlsendezeiten besteht weder von Verfassungswegen noch aufgrund des Rundfunkstaatsvertrages. Letztgenannter enthält nur eine verpflichtende Regelung für bundesweit verbreitete Rundfunkprogramme (§ 42 Abs. 3 RStV). Ein originärer, dem Grundgesetz unmittelbar zu entnehmender Anspruch auf Zuteilung von Wahlwerbesendezeiten an Parteien etc. besteht ebenfalls nicht: weder aus Art. 21 Abs. 1 GG, noch aus Art. 5 GG (vgl. BVerfGE 47, 198, 237; BVerfG NJW 1994, 40). Im Gegenteil stellt die Verpflichtung zur Ausstrahlung von Wahlwerbespots regelmäßig eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Rundfunkfreiheit des Rundfunkveranstalters dar, die zu rechtfertigen ist. Ein Erfordernis für eine solche Regelung ist nicht ersichtlich.

Vorzugswürdig ist eine Regelung, die dem Rundfunkveranstalter die Entscheidung überlässt, ob Parteien und Vereinigungen Wahlsendezeit zur Verfügung gestellt werden soll. Entscheidet er sich generell für die Einräumung von Wahlwerbung, hat er freilich alle zugelassenen Parteien und Vereinigungen gleich zu behandeln; entscheidet es sich generell dagegen, muss und darf er keiner Partei Wahlwerbezeiten einräumen.

Wie bereits in der Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Staatsvertrages über Medienrecht in Hamburg und Schleswig-Holstein vom 8.März 2006 fordert die AnbieterInnengemeinschaft des FSK e.V. die Änderung des § 13 im Sinne einer Regelung, wie sie im Hamburgischen Mediengesetz festgesetzt war: Dieser Regelung zufolge konnten Rundfunkveranstalter eines landesweiten Vollprogramms oder Programmteils zu einer Wahl zugelassenen Parteien und Vereinigungen Wahlwerbezeiten einräumen (§ 13 Abs. 1 S. 1 HmbMedienG). Machten sie von dieser Möglichkeit Gebrauch, bestimmte § 13 Abs. 1 S. 2 die angemessene Gleichbehandlung der Parteien und Vereinigungen.

AnbieterInnengemeinschaft im FSK e.V.
Hamburg im Juni 2009

Online hören

.



Feedback

Sendungen