Document: Gegenstandpunkt zur aktuellen Veröffentlichung der SPD Hamburg - Wagengruppe Zomia, 22. November

Die Wagengruppe Zomia hat mit Erstaunen und Empörung die gestrige
Pressemitteilung der SPD wahrgenommen – entgegen der Behauptung
konstruktiver Gespräch wird hier eine mediale Diffamierung begonnen. Das
Ziel ist durchsichtig: Solidarität und Unterstützung sollen vorbereitend
für eine Räumung entzogen werden. Dazu ist das Argument der
überheblichen, anspruchsvollen WagenbewohnerInnen, die immer neuen
Forderungen stellen, gar nicht dumm.

Dem entgegnen wir: Zomia ist und war immer bereit, umzuziehen, wenn das
grundlegende Bedürfnis erfüllt ist. Dieses ist nach wie vor eine
langfristig geeignete Fläche für das Projekt. Das Problem, einen
Wagenplatz in Hamburg-Mitte zuzulassen, ist kein juristisches, sondern
ein Politisches. Selbst das heftig umstrittene Hamburger Wagengesetz
lässt die Duldung von Wagenplätzen bis zu fünf Jahren zu. Bis heute gibt
es keine pragmatischen Gründe, dass Zomia nach Altona umziehen sollte.
Der Anschein, dass die Altonaer SPD dazu verdonnert wurde, mit schnellen
Willkommensgrüßen Markus Schreiber in Mitte den Rücken freizuhalten,
wird immer durchsichtiger: Statt in Ruhe abzuwarten, bis die
konstruktiven Gespräche abgeschlossen sind und einem Umzug nichts im
Wege steht, wird nun eine halbfertige Lösung zum golden Kalb erklärt und
die Wagengruppe als störrischer Esel dargestellt. Andy Gote und Sören
Schumacher sprechen von einem halben Dutzend Plätzen, die Zomia bereits
abgelehnt hätte. Sie haben sich verzählt. Und verschweigen dabei auch
noch gern, dass unter den „Angeboten“ solche Unverschämtheiten wie
„alternative Standorte“ unter einer Schnellstraßen-Brücke, unter einer
380.000Volt Hochspannungsleitung oder auch direkt neben der Landebahn am
Flughafenzaun waren.

Nun die neue Wendung: In Altona sollen wir auf eine „Zwischenlösung“,
von der sich jedoch Politik und Wagengruppe schon im Vorfeld einig
waren, dass die Fläche ungeeignet ist. Anschließend werde eine von Zomia
akzeptierte langfristige Alternative gesucht und gefunden. Wie sollen
wir jedoch davon ausgehen, dass uns die selben Szenarien wie jene der
vergangenen Monate nicht in kurzer Zeit in Altona erneut passieren?
Zomia ist absolut bereit für einen Umzug, denn auch wir haben kein
Interesse an einer Eskalation. Wenn sich aber die verschiedenen Teile
der SPD so offensichtlich die Bälle zuspielen, um Zomia dumm dastehen zu
lassen, braucht es ein bißchen mehr als die vage Aussicht auf einen
unbekannten Platz, um Vertrauen in eine langfristige Lösung zu entwickeln.

Warum kann Zomia nicht in Wilhelmsburg bleiben, bis ein fester Platz in
Altona zugesagt werden kann? Weil Schreiber so lange nicht mehr
zurükgehalten werden kann – beziehungsweise soll? Warum soll er das
nicht und warum gilt laut Senat das Umzugsangebot nicht mehr nach einer
Räumung? Weil eigentlich Zomia unter Druckt gesetzt werden soll, damit
Schreiber sein Gesicht nicht verliert?

Doch es geht seit Jahren um mehr, als dass einzelne Politiker_innen ihr
Gesicht verlieren könnten. Es geht um verfehlte Stadtpolitik in Hamburg!
Damit ist Zomia ein Symptom von Vielen. Aus diesem Blickwinkel ist es
fast beliebig, ob es um die Sexarbeiter_innen in St. Georg, die
Wohnungslosen in St. Pauli, die Privatisierung des Bahnhofsvorplatzes
oder den Abriss der Essohäuser geht. Derzeit brodelt es wieder an vielen
verschiedenen Konfliktfeldern in der Stadt - mit Zomia soll einer
beseitigt werden. Damit wird den Wohnungsuchenden in Hamburg eins immer
schwerer vermittelbar: Das ihnen noch 15 Wohnungssuchende mehr
hinzugefügt werden sollen – nur um das Ego eines einzelnen
Machtpolitikers zu befriedigen. Das vor dem Hintergrund, dass schon
jetzt absehbar ist, dass die SPD ihre vollmundigen Versprechen zum
Wohnungsbau nicht halten wird. Wenn die Politik schon nicht in der Lage
ist, eines der größten Probleme dieser Stadt zu lösen, warum legt sie
dann auch noch denen, die sich alternative Lösungen suchen, Steine in
den Weg?

Wir sind gerne bereit konstruktive Gespräche mit dem Bezirk Altona zu
führen und eine gemeinsame Lösung zu finden. Dafür muss die SPD nur eins
tun: Den von ihr geschaffenen künstlichen „Sachzwang“ auflösen und
zeigen, dass sie ein ehrliches Interesse an einer einvernehmlichen
Lösung hat!

Doch wir wollen den Blick über den eigenen Tellerrand nicht vergessen,
es geht in dieser Auseinandersetzung um mehr als das alternative Wohnen
auf einem Wagenplatz. Es geht darum, Alternativen zu schaffen; uns nicht
einfach wie es der Politik gefällt hin und her schieben zu lassen, der
Vertreibung aus den Bezirken entgegen zu stehen, zu zeigen: Es geht auch
anders! Es geht hier um unser Recht auf Stadt! Überall werden Menschen
immer prekäreren Lebensbedingungen ausgesetzt. Die Bedrohung fängt bei
Wohnraum an, geht hin zum Arbeitsplatz, zur Freitzeitgestaltung und
bleibt stehen bei den Lebensmittelausgaben. Durch die Prekarisierung von
Wohnungs- und Arbeitsplatz werden immer mehr Existenzen kaputt gemacht.
Die Vertreibung der Armen aus den Stadtteilen wird vorangetrieben. Wir
sind angetreten, dem eine Alternative entgegen zu setzen. Ja, wir haben
schon eine Wohnung! Was wir brauchen ist eine Fläche, auf der wir stehen
können! Auch die haben wir und bis heute sprechen keine pragmatischen
Gründe dafür, diese zu verlassen. Wir haben wie alle anderen Menschen
dieser Stadt das Recht auf Wohnraum. Dieses Recht wird nicht erteilt,
es gehört allen – unabhängig von sozialer oder nationaler Zugehörigkeit!
Wenn wir uns das Recht auf Stadt nehmen, verändert sich nicht nur die
Stadt: Es verändern sich unsere Bezugspunkte, Beziehungen und
Begegnungen. Die Stadt gehört allen!

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