NPD-Jugendfunktionär plante Sprengstoffanschläge - Antifa-Recherche verhinderte Blutbad

So ist ein Recherchebericht aus dem Jahre 2009 überschrieben, den wir hier dokumentieren:

"Der am 26. August 2009 in Lörrach fest­genom­mene 22-jährige Thomas Bau­mann, Stütz­punkt­leiter der Jungen Natio­nal­demo­kraten (JN, NPD-Nach­wuchs­organi­sa­tion), war im Begriff, einen An­griff mit Splitter­bomben und Schuss­waffen gegen Anti­faschis­tinnen und Anti­faschis­ten durch­zu­führen. Die Vereini­gung der Ver­folgt­en des Nazi­regimes - Bund der Anti­faschis­ten (VVN-BdA) Baden-Würt­tem­berg fordert daher ein ent­schlossenes Vor­gehen der Politik gegen den nazis­tischen Terror. Die Medien werden aufge­rufen, endlich über die Gefahr der Anti­Antifa-Attacken aufzu­klären.

Nach Mitteilung der Polizei hätte die Bombe in nur wenigen Stunden fertig gestellt werden können. Durch die Festnahme ist ein möglicherweise unmittelbar bevor stehendes Blutbad verhindert worden. Hier werde eine neue Dimension von organisierter terroristischer Nazi-Gewalt sichtbar, die sofortiges Handeln auf allen Ebenen erforderlich mache, erklärt die VVN-BdA weiter.

Der unglaubliche politische Skandal bestehe darin, dass erst die Recherchen der Autonomen Antifa Freiburg dazu geführt hätten, die Behörden auf die Spur des Naziterroristen zu bringen. Verfassungs­schutz und Polizei seien entweder ahnungslos oder schauten untätig zu, wie über Monate hinweg im NPD-Spektrum Bomben gebastelt werden. Dies unter Aufsicht eines Innen­ministers, der behauptet, dass die NPD in diesem Bundesland „sehr passiv auftrete“. Deswegen könne sich Baden-Württem­berg an der Materialsammlung des Bundesinnenministeriums für ein NPD-Verbotsverfah­ren nicht betei­ligen. Der Fall offenbart gleichzeitig, dass die V-Leute des Verfassungsschutzes innerhalb der NPD keinesfalls ein „Frühwarnsystem“ darstellen, wie Rech noch im März behauptet hatte. Damit hatte er seine Weigerung begründet, die V-Leute abzuschalten, wie dies das Bundesverfassungsgericht gefordert hatte, um den Weg für ein Verbotsverfahren frei zu machen.

Wie die VVN-BdA feststellt, sei Minister Heribert Rech nicht willens oder nicht in der Lage, seinen Amtspflichten nachzu­kommen. Sie fordert dessen unverzüglichen Rücktritt. Alle Landtags­fraktionen und die Bundespolitik seien jetzt aufgefordert, an diesem Beispiel die Gefahren zu erkennen, die von der NPD und ihrem gewalttätigen neofaschistischen Umfeld ausgehen und alle politischen Mittel der Aufklärung sowie alle rechtlichen Mittel zu deren Verbot und Auflösung gemäß Artikel 139 GG auszuschöpfen.

Die Bundesorganisation VVN-BdA hatte im Dezember 2007 über 175.000 Unterschriften für die Einleitung eines erneuten NPD-Verbotsverfahrens gesammelt und dem Bundestagspräsidenten übergeben. Seitdem schlummert der Bürgerwille in den Katakomben des Reichstagsgebäudes, weil sich eine Reihe von CDU-geführten Landesregierungen weigern, V-Leute aus der NPD abzuziehen bzw. Material über die NPD-Machenschaften weiter zu geben und damit das Verbotsverfahren sabotieren.

Ministerpräsident Günther Oettinger wird unter Bezug auf den Vorgang von der VVN-BdA aufgefordert, die Initiative für das Wiederauf­leben des ruhenden NPD-Verbotsverfahren zu ergreifen, alle V-Leute abziehen und die einschlägigen Akten an den Bund übermitteln zu lassen.

Um die als Standard-Reaktion geäußerten Einzeltäter-Vermutung zu widerlegen, genüge ein Blick in das Umfeld des Bombenbastlers, teilt die VVN-BdA weiter mit. Der Jung-Nazi war Mitglied im „Kampfbund Deutscher Sozialisten“, Zeitsoldat bei den Krisenreaktionskräften der Bundeswehr und ist jetzt Gruppenführer der Kame­rad­schaft „Freie Kräfte Lörrach“ und Mitglied des JN-Landesvorstands mit engen Kontakten zu Alexander Neidlein, dem Landesgeschäftsführer und stellvertretenden NPD-Landesvorsitzenden in Baden-Württemberg. Baumann hat enge Verbin­dungen zur Münchner Neonazi-Szene, in deren Reihen er beim NPD-Aufmarsch am 1. Mai 2009 in Ulm gesichtet wurde. Attraktiv ist für ihn offenbar die Münchener „Kameradschaft Süd“ mit dem Nazi-Kader Martin Wiese, weil diese über Erfahrungen in bewaffneten Anti-Antifa-Aktivitäten verfügt. 2003 wurden dort ebenfalls Waffen und Sprengstoff besorgt mit der vermut­lichen Absicht, diese zu Attentaten gegen jüdische und andere antifaschistische Mitbürgerinnen und Mitbürger einzu­setzen. Martin Wiese wird im August 2010 aus der Justizvollzugsanstalt Bayreuth entlassen und hat in jüngster Zeit ein Comeback angekündigt."
http://www.nrw.vvn-bda.de/texte/0555_bombenbastler2.htm

Zeitnah hier zwei weitere Rechercheberichte zum NSU-Terrorismus:

"...Im Laufe der Ermittlungen wurde auch bekannt, dass die drei Terroristen am 09. November 2009 im rheinländischen Erftstadt(1) zu Besuch gewesen sein sollen. Laut mehrerer Medien auf Einladung von keinem geringeren als Axel Reitz, Koordinator und Frontmann der rheinländischen Neonazi-Szene, die seit mehreren Jahren immer offensiver auftritt. Nach Aussagen eines anonymen Aussteigers – oder offenbar eines V-Mannes? - bei verschiedenen Öffentlichkeitsauftritten, hat Axel Reitz die Personen zielgerichtet angesprochen und abseits der Masse mit diesen intensiv kommuniziert.
Axel Reitz dementierte auf den ihm verbliebenen Kanälen diese Aussage, die allerdings als Schutzmechanismus zu werten sein dürfte. Ohnehin dürfte es anhand von Fotos und Erinnerungen von V-Leuten innerhalb des Polizeispektrums zu ergründen sein, ob die Zwickauer Zelle anwesend war. ..."
Aus: Auch PRO-Funktionäre in Kontakt mit Terroristen - Fokussierung auf NPD blindäugig. von http://de.indymedia.org/2011/12/321220.shtml

"... Die Gemeinsamkeiten sowie die Bekanntschaft der am 25. Januar in Sachsen durchsuchten Personen gründen sich auf deren Aktivitäten in der neonazistischen Musik- und Vertriebsszene, insbesondere auf ihre Anbindung und Nähe zur sächsischen Sektion des internationalen Neonazi-Netzwerk "Blood & Honour". Teile des sächsischen "Blood & Honour"-Ablegers haben ihren Ursprung in den 1990er Jahren bei den "Skinheads Chemnitz", die unter dem Namen "CC88" weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt wurden. Über das Verbot der deutschen "Blood & Honour" Sektion durch das Bundesinnenministerium im Jahr 2000 hinaus waren die jetzt in den Fokus der Ermittlungen geratenen Personen maßgebliche Figuren in der rechten Musik- und Vertriebsstruktur.
Als mutmaßliche Mitwisser des Thüringers Ralf Wohlleben, der bereits zuvor der Unterstützung des NSU beschuldigt wurde, sind am 25. Januar 2012 außerdem zwei weitere Thüringer Neonazis, Frank Liebau und Andreas Schulz, durchsucht wurden.
Treffen aktuelle Medienberichte zu, dann vermuteten thüringische und sächsische Behörden schon frühzeitig, womöglich bereits 1998, dass sich die NSU-Mitglieder Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt nach Sachsen abgesetzt haben. Offenbar führten die Ermittlungen spätestens im Jahr 2000 nach Chemnitz und dort ins direkte politische Umfeld des NSU: zu genau jenen Personen im Umkreis von "CC88" und dessen Verbindungen, bei denen nun die Hausdurchsuchungen stattfanden. ...
Morde unter dem sehenden Auge der Behörden?
Das Gericht würdigte damals die „aktive Mitwirkung“ der Chemnitzer am Verfahren, heute wirkt aber genau das suspekt. Grund für diese "aktive Mitwirkung" am Verfahren könnte auch gewesen sein, dass die Neonazis damit weitere Ermittlungen gegen sich verhindern wollten. Im Verfahren wurde deutlich, dass – trotz des konspirativen Vorgehens der Angeklagten – seit Beginn im Jahr 2000 die Ermittler, auch aus Karlsruhe, den Tätern auf den Fersen waren. Die Überwachung im „CC88“-Umfeld war engmaschig und zudem waren an der „Landser“-Produktion neben Hesse noch weitere V-Leute verschiedener Verfassungsschutzämter beteiligt.
Klar wird, Anfang der 2000er Jahre wurde das sächsische Unterstützerumfeld der NSU gleich durch drei behördliche Maßnahmen erfasst und durchleuchtet; die Ermittlungen gegen die "Landser" Produktion "Ran an den Feind", das Verbotsverfahren gegen "Blood & Honour" und die Ermittlungen bzgl. der drei Untergetauchten. In all diese Komplexe waren mehrere Ämter eingebunden, es liefen umfangreiche Telefonüberwachungen und Observationen; selbst die Beschaffung scharfer Waffen war bereits zu diesem Zeitpunkt bekannt. Die Behörden haben nicht "geschlafen", direkt vor ihren Augen konnten sie die Organisation der Nazimordserie verfolgen.
Dass sich das Versagen der Behörden immer weiter fortsetzt, wird auch anhand der Razzia vom 25. Januar 2012 selbst deutlich. Zwar wurde die Wohnung von Andreas Graupner im baden-württembergischen Ludwigsburg laut einer Erklärung der Generalbundesanwaltschaft „überprüft“. Tatsächlich aber standen die Beamten hier vor der falschen Tür. ..."
Aus: "Blood & Honour": NSU-Helfer in Sachsen. von http://venceremos.sytes.net/artdd/artikel/cog/blood-honour-nsu-helfer-in...

Dagegen meint ein Kommentar im Tagesspiegel halten zu müssen:
"Sind die Attentäter aus dem "Nationalsozialistischen Untergrund" Teil eines braunen Netzwerkes? Generalbundesanwalt Harald Range sagt Nein - und sieht auch kein Versagen der Behörden. In beidem hat er wohl recht. ..."
Dieses Pamphlet steht unter der Überschrift "Toter Terror". Erbarmungslos negiert es das Leid der Ermordeten und derer Angehöriger mit den Worten: "Selten verbreiten Terroristen den größten Schrecken erst, wenn sie tot sind. Doch so war es im Fall der toten Mörder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, die mit ihrer Unterstützerin Beate Zschäpe eine terroristische Vereinigung gebildet haben sollen."
Aus Toter Terror in http://www.tagesspiegel.de/meinung/ein-spruch-toter-terror/6227226.html

Dagegen hält die Taz abstrakt z.B. hier:
"Der Umgang mit der NSU ist ein strukturelles Problem
Ignoranz mit System" unter http://taz.de/Debatte-Rechtsterror/!86686/
und konkret z.B. hier: "Knallharte Überzeugungstäterin" unter http://taz.de/Mutmassliche-Naziterroristin-Zschaepe/!86308/

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