rotten system! - rotten world? - [exit!-Lesekreis HH] „It’s the class, stupid!?"

09.01.2019 - 08:00
09.01.2019 - 10:00

It’s the class, stupid!?

It’s the class, stupid!?

Degradierung, Deklassierung und die Renaissance des Klassenbegriffs

Vortrag von Roswitha Scholz auf dem Exit! Seminar im Oktober 2018 in Mainz

Spätestens seit der Trump-Wahl und dem Aufkommen von AfD und Pegida ist die Frage nach den Klassen wieder in aller Munde. So habe die Industriearbeiterschaft Trump zum Sieg verholfen – gerade in den Industriebrachen sei er am meisten gewählt worden. In großen Teilen der Linken hat man den Eindruck, dass dies geradezu genüsslich aufgenommen wurde: Endlich kann der gute alte Klassenkampf wieder aufs Tapet gebracht werden, der durch die Ungleichheitsdimensionen „Rasse“ und Geschlecht lange gewissermaßen bloß ein Nebenwiderspruchsdasein fristete. Es scheint ein urlinkes Bedürfnis zu geben, soziale Stratifizierungen in ein Klassenschema pressen zu wollen.

Wurden Theorien der sozialen Ungleichheit seit den 1980ern durch die Individualisierungsthese von Ulrich Beck und Theorien zu Milieu, Subkultur und Lebensstil gleichsam auf ein Nebengleis geschoben, so kam es in den 2000er Jahren nicht zuletzt im Gefolge von „Hartz IV“ zu Diskussionen um den Abstieg bzw. die Abstiegsängste der Mitte. Mittlerweile nun kehrt man weithin wieder zur Diagnose einer Klassengesellschaft, wenngleich in neuem Gewand zurück. Die Veröffentlichungen zu diesem Thema sind inzwischen so zahlreich, dass man die Qual der Wahl hat, welche behandelt werden sollen. Ich habe mich nun dazu entschieden in meinem Vortrag zum einen auf den Ansatz von Oliver Nachtwey einzugehen, da er in der Überprüfung der Beckschen Annahme „Jenseits von Klasse und Stand“, die in den 1980er Jahren über die Sozialwissenschaften hinaus maßgeblich war, zu dem Ergebnis kommt, dass die heutige Gesellschaft eine „Abstiegsgesellschaft“ im Kontext modifizierter Klassenverhältnisse ist; zum anderen werden die Überlegungen von Ulf Kadritzke zum angeblichen „Mythos Mitte“ ins Visier genommen, der, so der Untertitel seines Büchleins „Die Entsorgung der Klassenfrage“ beklagt, da, wie gesagt, die Mittelschicht ein bevorzugtes Feld der Untersuchung seit Mitte der 2000er Jahre war. Meine zentrale These ist hierbei nach wie vor, dass der Klassenbegriff , wie modifiziert auch immer, ungeeignet ist, soziale Disparitäten und Ausgrenzungen in der fortgeschrittenen Phase des „Kollaps der Modernisierung“ zu fassen.

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