NPD-Verbot: Sie werden es wieder vermasseln

Die Politiker, die jetzt ein neues NPD-Verbotsverfahren initiieren, haben immer noch nichts begriffen. Das Problem ist nicht, der NPD Verfassungswidrigkeit nachzuweisen; das wäre auch ganz ohne Verwicklung in die Zwickauer Terrorzelle möglich. Wir haben stattdessen ein Geheimdienstproblem.
Ein Kommentar von Martin Dietzsch*

Das erste NPD-Verbotsverfahren wurde von innen torpediert. Es wurde ja nicht nur dem Gericht, sondern auch den Vertretern der Anklage die frühere V-Mann Tätigkeit eines geladenen Zeugen vorsätzlich verschwiegen. Man hat die eigenen Leute in’s offene Messer rennen lassen. Daraus sind nie Konsequenzen gezogen worden. Statt der Verselbständigung der Geheimdienste mit wirksamer Kontrolle gegenzusteuern, wurden deren Kompetenzen und Aufgabenfelder immer mehr ausgeweitet.

Man muss es einmal deutlich aussprechen: Es geht bei einem NPD-Verbotsverfahren schlicht und einfach darum, den Neonazis, also der NPD und den sogenannten Freien Kameradschaften, den staatlichen Schutz und die staatliche Förderung zu entziehen. Und das exzessive V-Mann Unwesen zählt nicht zur Bekämpfung, sondern zur Förderung des Neonazismus.

NRW-Innenminister Ralf Jäger äußerte kürzlich, eine Abschaltung der V-Männer sei unmöglich, denn sie mache die Behörden blind. Jahrzehntelang haben die Ämter den Rechtsextremismus durch die Brille der V-Männer des Verfassungsschutzes betrachtet. Vielleicht sollten sie diese Brille endlich einmal absetzen. Man hat den Eindruck, dass diese Brille von innen verspiegelt ist und der Betrachter glaubt, er würde die Welt sehen, in Wirklichkeit sieht er nur sein Spiegelbild.

V-Leute versprechen sich von ihrer Tätigkeit nicht nur Geld, und staatlichen Schutz bei möglichen Strafverfahren. Sie sind und bleiben Rechtsextremisten und füttern die Dienste mit gefilterten Informationen, und die Dienste hören nur das, was sie hören wollen. Wenn die amtliche Vorgabe ist, dass nur Linksextremisten an eine ernsthafte Gefahr von Rechts glauben, dann darf man sich nicht wundern, wenn die bittere Realität verharmlost und geleugnet wird. Die Dienste waren blind, weil sie nur das sehen durften, was sie sehen wollten.

Es heißt, die V-Mann-Dichte im NPD-Umfeld sei heute sogar noch höher als beim ersten Verbotsverfahren. Nach allem, was man bisher weiß, muss man befürchten, dass auch im engeren Umfeld der Terrorzelle Vertrauenspersonen von deutschen Geheimdiensten tätig waren und eher zur Verdunkelung als zur Aufklärung beitrugen und vielleicht sogar in die terroristische Vereinigung involviert waren. Diese Möglichkeit kann zur Zeit niemand ausschließen. Und es verwundert nicht, dass nicht nur in der rechten Szene, sondern auch in der breiten Öffentlichkeit die irrsten Verschwörungsmythen kursieren und durch das undurchsichtige Operieren der Geheimdienste scheinbare Plausibilität erhalten. Dadurch erleidet unsere Demokratie zusätzlichen schweren Schaden, dessen langfristige negative Folgen nicht unterschätzt werden dürfen.

Doch an den Pforten der Geheimdienste endet der demokratische Sektor der Bundesrepublik Deutschland.

NPD-Verbot? Das geht nur, wenn man den Diensten kräftig auf die Füße tritt. Und wenn man den institutionellen Rassismus in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr verleugnet und ihn stattdessen bekämpft. Dazu gehört Mut. Liebe Politiker, Freiwillige bitte vortreten! – Es meldet sich niemand? Dann sei mir die Prognose gestattet: Ihr werdet es wieder vermasseln.

*Martin Dietzsch ist Mitarbeiter im Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung www.diss-duisburg.de

Erstveröffentlichung: http://www.publikative.org/2011/12/05/npd-verbot-sie-werden-es-wieder-ve...

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