Nein – Das ist keine kosmopolitische Stadt

Vorab aus dem Transmitter für April 2014:

Nein – Das ist keine kosmopolitische Stadt

Mit großen und wohl letzten Erwartungen waren einige gekommen, dem Ersten Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg zuzuhören bei seinem Auftritt am 19. März, angekündigt als: „"Hamburg, Europa und die Grenzen" - Grundsatzrede im Thalia-Theater“. Der Ort bestimmte das Thema der Rede, nicht etwa die drängenden politischen Fragen. Es läßt sich schwer sagen, in welche Richtung diese Rede kalkuliert gewesen ist, solange die Eingangsbemerkungen des Herrn Scholz als persönliche Position unterstellt werden: „Hamburg ist eine kosmopolitische, also welt-bürgerlich orientierte Stadt, die seit Jahrhunderten Beziehungen in die ganze Welt unterhält.“ Der erste Teil dieses Satzes geht als Wunschdenken durch; der zweite Teil erläutert den Kern des Ersten. Denn die Beziehungen in die ganze Welt sind Ergebnis und Inhalt von: „Der Handel akzeptierte keine Grenzen, bekämpfte Kontinentalsperren und ersetzte schlechte Seekarten durch bessere, sobald sie gezeichnet waren. Kultureller Austausch enstand dadurch von selbst. Und natürlich führte das schon früh dazu, dass die Bürgerinnen und Bürger der Stadt in die Welt hinausgegangen und bis heute in ihr zu Hause sind. Ebenso natürlich hat das immer Menschen aus aller Welt angezogen, nach Hamburg zu kommen.“ Abgesehen davon, daß die(-se) Bürgerinnen und Bürger der Stadt wohl in ihrer Mehrzahl als Kolonisator_Innen in die Welt hinausgegangen waren, sind die „ aus aller Welt angezogen(-nen)“ in ihrer großen Mehrzahl Industrie- und Hafenproletarier_Innen gewesen, denen zunächst und ganz lange so gar nicht zugedacht gewesen war, Bürger_Innen Rechte zu erhalten.

Vor genau dieser letztgenannten Barriere, eine Barrikade des deutschen völkischen Rassismus spielt sich die Hamburger Lampedusa Auseinandersetzung ab, und die Rede des Bürgermeisters bedient neben einigen Öffnungen auch weiterhin die Verteidiger_Innen des gesellschaftlichen Ausschlußes. Darüber war in Medien bereits berichtet. Hier wenden wir uns mehr der Kritik des scholz'schen Begriffs der kosmopolitischen Stadt zu. Herr Scholz muß über alle Maßen bemüht sein, frühere Zuwanderungen als jeweiligen Gewinn zu verkaufen um hiesige Borniertheiten zu überwinden. Erinnern wollen wir dabei mal an das Scheitern von Schwarz-Grün über die Gleichberechtigungsdebatte in der letzten Schulreform. Gescheitert übrigens am Hamburger Bürgertum. Dabei emüht er eine „Lösung als humanistischen Ansatz“. Und so wundert es nicht, daß er Rassismus, racial profiling und auch die Vernichtung der Nachkommen eben jener zugewanderten portugiesischen Juden ungenannt läßt, welche er zuvor zur Begründung seiner Vorstellung von dieser Stadt heranzieht. Vielleicht will diese Stadt eine kosmopolitische Stadt werden, aber schon in diesem fundamentalen Verschweigen und Vergessen der Opfer deutscher Vernichtungstradition wird eine bloße Funktionalität dieser Rede erkennbar. Eine Rede welche ohne den Kampf der Gruppe Lampedusa in Hamburg ohnehin gar nicht erst zustande gekommen wäre. Die also viel sagen sollte ohne zu sagen: „Wir wollen die Gruppe Lampedusa in Hamburg“ mit ihren Forderungen anerkennen.

Der Kern dieser Scholz Rede war Toleranz als angewendete Methode von in diesem Punkt Intoleranz der aktuellen Senatspolitik. Ein offenbar gescheiterter Versuch Gewissensberuhigung zu betreiben. Eine tolerante Stadt grenzt ein – und damit aus. Eine kosmopoltische Stadt ist offen. Niemand im übrigen soll sich daran beruhigen, dem Senat dafür die alleinige Verantwortung zu zuschieben. Das wäre tatsächlich zu einfach. Es handelt sich bei genannten Methoden und Politiken um gesellschaftliche Phänomene. Es ist auch die fehlende gesellschaftliche Auseinandersetzung in der ganzen Tiefe der Stadt, welche auf den Mangel an Kosmopolitismus verweist. Nehmen wir zum Beispiel nur einen aktuellen Artikel des Hamburger Abendblatts zu einem Mord in Bergedorf, in welchem 2 Jahre nach NSU Aufdeckung unter Verweis auf zwei ARD Tatort Filme eine ganze Palette rassistische Sterotype „nicht nur krimineller Fremder“ sondern auch das Potential zur Täter- Opfer Verkehrung bereitgestellt ist. Soll heißen: Bei aller öffentlicher Abbitte zum Berichterstattungsanteil der langen Nichtentdeckung des NSU wird genau diese Praxis fortgeführt. In diesem Fall übrigens führte die Feder des Polizeireporters ein Informationsstream aus Alsterdorf.

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