Dokumentation: "Die Angehörigen der Opfer des NSU hätten Fürsprecher/innen in der politischen Linken gebraucht"

Zu den nächtlichen Schüssen in Berlin Neukölln mit einem Todesopfer und zwei Verletzten gab die Antifa Neukölln auf der antifaschistischen Demonstration am vergangenen Freitag in einem Redebeitrag die folgende Aufforderung auf, welche wir hier dokumentieren:

"Was haben die Taten des rechtsterroristischen NSU mit dem Mord an Burak B. in Buckow zu tun?

Am Donnerstag in der letzten Woche, den 05.04.2012 gibt gegen 1 Uhr 15 ein bislang Unbekannter mehrere gezielte Schüsse auf eine fünfköpfige Gruppe Jugendlicher und junger Erwachsener ab.
Dabei wird der 22-jährige Burak B. ermordet und zwei Jugendliche im Alter von 16 und 17 Jahren teils sehr schwer verletzt. Einer ist weiterhin in Lebensgefahr. Zwei weitere Begleiter bleiben unverletzt. Die Betroffenen haben Migrationshintergrund. Täter und Opfer haben sich nicht gekannt. Die Angehörigen gehen von einem rassistischen Hintergrund aus.

In der Öffentlichkeit wird seit dem Bekanntwerden des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) über das meist als „Versagen“ bezeichnete Vorgehen der Sicherheitsbehörden diskutiert. Ja, es wird sogar über den rassistischen Umgang der Medien mit den Mordfällen debattiert und der Begriff „Dönermorde“ wurde zum Unwort des Jahres gewählt.

Das Versagen der Antifa beim Erkennen des Rechtsterrorismus wird hingegen kaum thematisiert – auch nicht innerhalb der antifaschistischen Bewegung. Zu den Ausnahmen gehört ein selbstkritischer Artikel des Antifaschistischen Infoblatts (AIB), der auf www.antifa.de veröffentlicht ist. Dort wird nach Erklärungsansätzen für das Nichterkennen gesucht und eine Debatte eingefordert.

Wenn man die dort genannten Thesen zu den Taten des NSU nimmt und sie auf den Mord an Burak B. anwendet, fällt dies auf:

– Der NSU mordete nicht nach bekannten Mustern und verzichtete auf unmittelbare Propaganda-Bekenntnisse. Es schien so, als ob ein Motiv fehle. Dies ist beim Mord an Burak B. auch der Fall.

– Die Opfer der Taten des NSU und ihre Angehörigen konnten sich in der rassistischen deutschen Gesellschaft kein Verhör verschaffen. Nach den Morden wurden die Angehörigen von der Polizei aus rassistischen Gründen schnell selbst verdächtigt.
Beim Mord an Burak B. präsentieren zumindest einige Medien abenteuerliche Geschichten:
So hätten sich die Betroffenen auf Facebook über einen Polizeieinsatz lustig gemacht. Das soll nach Vorstellung der verantwortlichen Journalisten offenbar für eine Nähe zur Mafia sprechen.
Außerdem sei Buraks Beziehung unlängst auseinandergegangen – und zwar eine Beziehung mit einer „Türkin“, wie die Presse betont. Was wollen sie uns damit sagen? Dass Mord in solchen Fällen unter Türken üblich ist?
Die Mordkommission der Polizei wiederum dürfte die vergangene Woche damit verbracht haben, intensiv im Umfeld des Ermordeten nach einem Tatmotiv zu suchen – ergebnislos.

– Die Angehörigen der Opfer des NSU hätten verantwortungsbewusste Fürsprecher/innen in der politischen Linken gebraucht, um öffentlichen Druck auf die Ermittler auszuüben. Diese linken Fürsprecher verlangen allerdings – das ist die Realität – nach Anhaltspunkten, dass Neonazis die Täter waren. Ohne Anhaltspunkte lehnt sich auch keine der
Opferberatungsstellen aus der Zivilgesellschaft aus dem Fenster. Denn damit würden sie im Falle eines Irrtums ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzen.
Beim Mord an Burak B. können die Angehörigen und die weiteren Betroffenen keine Anhaltspunkte für einen Neonazi als Täter liefern. Das kann von ihnen aber genauso wenig verlangt werden, wie von den Angehörigen der Ermordeten des NSU. Offenbar hat der Täter bewusst keine Anhaltspunkte geliefert – womöglich nach Vorbild des NSU.

Als Fazit bleibt, dass beim Mord an Burak B. von einem rassistischen bzw. neonazistischen Motiv auszugehen ist. Andere sinnvolle Erklärungen sind nicht ersichtlich und konnten weder von der Polizei noch von den Medien geliefert werden.

Daher fordern wir – als Teil der Antifa in Neukölln – dazu auf, in Solidarität mit den von Rassismus Betroffenen, die Ermittlungen und die Presseberichterstattung kritisch zu begleiten und Aufklärung des rassistischen bzw. neonazistischen Mordes zu fordern.

Wir fordern dazu auf, mit den geeigneten und vertretbaren Mitteln, auf allen Ebenen, den Neonazis und ihrer Ideologie entgegenzutreten.

antifas aus Neukölln"

"im Zweifelsfall -

"im Zweifelsfall - Neonazi"
Ich halte es für falsch zu unterstellen, dass der Mord rassistisch gewesen ist. Wenn man keine Anhaltspunkte hat, hat man auch keinen Anlass auf ein bestimmtes Tatmotiv zu schließen. Dass Mörder, wenn sie nicht gefasst werden oder in die Öffentlichkeit wollen, versuchen, so wenig Anhaltspunkte wie möglich zu geben, die auf sie als Täter schließen lassen, ist selbstverständlich. Das ist aber kein Indiz dafür, dass ein Nazi/Rassist/etc. den Mord begangen haben muss, weil so-wenig-Anhaltspunkte-wie-möglich-geben nicht etwas spezifisch neonazistisches ist. Das dient Euch aber gerade als Indiz dazu, darauf zu schließen, dass es ein Neonazi gewesen sein muss.

Anders als die hiesigen

Anders als die hiesigen Zeitungen schrieb der Wiener Standard dazu relativ eindeutig am 8. April:

http://derstandard.at/1333528645815/Mord-in-Berlin-Rechtsextremer-Hinter...

Klar ist das ersteinmal

Klar ist das ersteinmal unbewiesen. Dennoch gibt es ernsthafte Hinweise in der Richtung auf einen rassistischen Mord, während der hiesige Reflex solche Hinweise grundsätzlich ignoriert. Das war bei den NSU Morden der Fall, das war bei dem erstochenen Leipziger der Fall, das war in Heide und Meldorf erst in den letzten Tagen der Fall. Bei dem Kölner Nagelbombenanschlag sprach Kutlu Yurtseven davon, daß die dortigen Anwohner_Innen wußten, daß es ein Nazi Anschlag war und es hat 10 Jahre gedauert, bis es öffentlich herauskam. (http://www.freie-radios.net/44417) Der FSK Beitrag mit ihm ist eben auch deshalb immer noch sehr hörenswert, weil er für Köln und die Morde in Nürnberg stützende Indizien der seinerzeitigen Thesen enthält. Es sei auch an die zwei Töchter der Mordopfer aus Kassel und Dortmund gedacht, die sich in ihrer Geschichte wiederfanden als doppelte Opfer: Sie verloren den Vater und wurden von der Polizei als mögliche Täter_Innen verdächtigt.
Vermutlich beginnt jede Mordermittlung mit einer Hypothese. Dass eine solche hinsichtlich einen rassistischen Mordmotivs gar nicht erst angestellt wird oder nicht weiterverfolgt wird, das ist das strukturelle rassistische Problem. Nicht nur bei den Ermittlungsbehörden, sondern ebenso in der Mehrheitsbevölkerung wie auch der deutschen Linken.

"verantwortungsbewusste

"verantwortungsbewusste Fürsprecher/innen in der politischen Linken" - was soll das sein? hier gehen leute ganz selbstverständlich von ihrer überlegenen und handlungs- und wirkungsmächtigen position aus, von der aus sie "für/andere/sprechen" können, die vormundschaft übernehmen, weil nur sie als deutsche anerkannt werden - eine typische aus dem kolonialrassismus stammende haltung. besser wäre, in der politischen linken hätten leute sich solidarisch erklärt oder die aufklärung aus eigenen motiven jenseits von vormundschaft zu ihrer eigenen sache gemacht.

In dem Ausgangstext stand

In dem Ausgangstext stand aber nicht, dass es Hinweise auf ein rassistisches Motiv gibt, sondern es wurde behauptet, dass man gerade weil es keine Hinweise auf ein Tatmotiv gäbe, von einem rassistischen Mord ausgehen müsse. Dagegen wollte ich einwenden, dass ein rassistisches Motiv zunächst nur eine Möglichkeit, nicht aber automatisch etwas ist, das man voraussetzen kann.

Zum Thema systematische Ausblendung kann ich nichts sagen, weil mir die Informationen über die einzelnen Fälle fehlen. Ich wollte oben nur die Argumentation kritisieren, nicht das Anliegen, einzufordern, dass bei evtl. rassistischen Morden ein rassistisches Motiv nicht ausgeblendet wird und es zu kritisieren, wenn das nicht passiert.

Worin siehst Du denn die

Worin siehst Du denn die Bevormundung?

wir bitten um Beachtung: Am

wir bitten um Beachtung:

Am kommenden Samstag ruft der neu gegründete Verein Burak Bektas e.V. zu einem "Gedenkmarsch gegen Intoleranz und Gewalt" auf. Auf der Facebook-Seite des Vereins (https://www.facebook.com/Verein.Burak.Bektas) schreiben die
Unterstützer_innen:

Der "Marsch gegen Intoleranz und Gewalt" ist genehmigt!
Samstag 28.04.2012 14.00 Uhr Johannisthaler Chaussee 250 Richtung Rudower Straße 51

Kommt mit allen Freundinnen und Freunden, mit Kindern und Eltern. Sagt an den Schulen Bescheid, postet die Nachricht weiter. "BITTE ALLE TEILEN" Aus der Trauer müssen Mut und Wachsamkeit wachsen für ein friedliches Zusammenleben, gegen Fremdenfeindlichkeit.

Unten noch eine Protestresolution des Vereins.
(Betreffend das zunächst erfolgte Verbot.)

Protestresolution

Am 05. April 2012 wurden Burak Bektas und vier seiner Freunde Opfer eines heimtückischen Mordanschlages in Berlin Neukölln. Burak Bektas wurde dabei getötet und zwei Freunde lebensgefährlich verletzt.

Seine Freundinnen und Freunde wollen das Gedenken an Burak Bektas aufrecht erhalten. Dabei wollen sie insbesondere auf das freundliche, friedliche, höfliche und respektvolle Wesen seines Charakters hinweisen. Der Verein „Burak Bektas e.V.“ will antreten zu Bekämpfung von Intoleranz und Gewalt, will eigene Vorstellungen und Denkansätze in das friedliche nachbarschaftliche Zusammenleben von Zuwanderern und Deutschen einbringen, bürgerschaftliches und politisches Engagement zeigen und fördern und zu deren aktiven Mitgestaltung beitragen und anregen.(aus der Satzung des Vereins „Burat Bektas e.V.“)

Der für den 28.04.2012 14.00 Uhr angemeldete Gedenkmarsch für die Opfer des Mordanschlages von der Johannisthaler Allee 250 zum Tatort des Verbrechens vom 05.04.2012 wurde von der Versammlungsbehörde nicht genehmigt.

Die Gründungsmitglieder des heute gegründeten Vereins „Burak Bektas e.V.“ verfolgen mit Aufmerksamkeit und Erschrecken die Ungleichbehandlung zwischen Opfern und den Tätern der Verbreitung von Intoleranz, Fremdenhass und Zuwanderer-Feindlichkeit und die offensichtliche Tendenz der Wertung durch die Versammlungsbehörde. Noch sind nicht alle Umstände der mutmaßlichen Unterstützung und Tolerierung der rechten Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ durch Polizei und Behörden geklärt. Umso mehr wirft die Tolerierung der rechten Szene auch in Berlin ein bedenkliches Bild

Der Nazi-Aufmarsch am 13.04.2012 zur Verhöhnung der Opfer und zur Solidarisierung mit dem Täter wurde von der Versammlungsbehörde genehmigt.

Wir fordern die Versammlungsbehörde auf, die Verhältnismäßigkeit ihrer Entscheidung unter Einhaltung der Bestimmungen des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland sicherzustellen.

Wir rufen alle Menschen guten Willens auf, uns dabei zu unterstützen und bitten die Politik, uns dabei zu helfen.

Berlin, den 19.4.2012

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